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Leute beschwerte, das ward ihm zur Sorge; und wenn er eine betrübte Seele fand, deren Trauer nahm er auf sich und in sich und vergaß sie nimmer. Auf der einen Seite: der Schmerz der Menschheit – und auf der anderen: der Mensch der Schmerzen, der Mann der Schmerzen. Seht, er hat sich so mit den Leiden vermählt, daß jeder Zug seines heiligen Wesens Leid und Schmerz war. Man kann ihn nicht ansehen, wenn er seine Gleichnisse spricht und so um die einzelnen Worte sich müht, ob er den Menschen nicht näher treten könnte, ohne daß man sagt: Mann der Schmerzen. Man kann ihm nicht ins Haus des Obersten, noch auf dem Wege nach Nain, noch ans Grab des Lazarus folgen, ohne daß man bei sich denkt: seht, wie das Leben jetzt den Tod erfährt und erleidet. Man kann ihn nicht vor der Ehebrecherin und der Sünderin und bei Zachäus, dem Zöllner, sich denken, die mit all ihrer Klage und Anklage, mit ihrem ganz verkehrten und verfehlten Leben zu ihm sich wenden, ohne daß man ihn über der Sünde Gewalt und über die eherne Kette des Unrechtes klagen sieht: ein Mann der Schmerzen. Damit die Welt endlich wüßte, was es ums Mitleid Großes ist, das mit einer einzigen Tat alle Leiden an sich zieht, damit man sehen könnte, wie dieses gewaltige Gebirge von Golgatha alle Wetter und Wetterwolken an sich zieht, so daß auch die dichtesten und düstersten Wolken auf seinem Scheitel ruhen, – das ist es, ein Mann der Schmerzen.

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 Und nun, haltet fest: Jesus hat gelitten draußen vor dem Tore. Er hätte wohl es sich auch leichter machen können, und es würde ihm das niemand haben verwehren können, wenn er die Leute von sich gewiesen hätte. Denn er hat in Minuten erreicht, wozu andere in Lebenszeit nicht kommen. Aber er hat nichts anderes gewollt als leiden. Seht, sein ganzes späteres Leben in der ewigen Heimat hat nur unser Leiden zum Gegenstand und Inhalt. Ich möchte sagen, wenn es überhaupt erlaubt ist, in das