Seite:Hermann von Bezzel - Die Beurteilung der Fleischessünde in unserer Zeit und in der heiligen Schrift.pdf/11

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auch das Mädchen die unglückliche Verstellung über die Keuschheit als höchstes Lebensprinzip bekämpfen möge. – Die kostbarsten Kränze auf das frühe Grab der Hetäre, die als „Opfer ihres Berufs“ gefallen, die Hymnen auf die Priesterinnen der Aphrodite, wie sie Brandes singt, das sind die praktischen Konsequenzen einer Laxheit, die das Nichtseinsollende als das zu Rechtbestehende und das was schändlich zu tun ist, als unschuldig zu sagen bezeichnet.

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 Ob die Fleischessünde glorifiziert oder nur entschuldigt wird, ob das Leben ganz ihr geweiht oder nur zu ihr berechtigt genannt wird, darüber entscheiden nur praktische Gesichtspunkte. Nur was dem Körper schadet, ist schädlich. Denn der Mensch ist keine lebendige Seele, sondern eine mechane empsychos eine in Funktionen sich betätigende und erschöpfende Maschine. Unser Zeitalter ist systematisch geworden, man codifiziert die Unmoral und gibt Gesetze der freien Sittlichkeit, man spricht vom Recht des Sichauslebens, von der individuellen Keuschheit des Subjekts, quod libet, licet erlaubt ist, was gefällt. – Und das Ende ist Grauen. Als der wüste Zustand der Ausgrabungen von Pompeji vor jetzt fünfzig Jahren bekannt ward, schrieb in der Augsburger Allgemeinen Zeitung ein Sachverständiger: „diese ewigen Obszönitäten in mannigfachstem Genre über den Toren, an den Wänden, auf allen Utensilien von Erz, Ton und Farbe, dieser ganze gräßliche heidnische Quark von Sodom und Gemorrha – man gerät dadurch wirklich auf theologische Erklärungen der Weltgeschichte, man rechtfertigt unter Schaudern und Beben, daß es hohe Zeit war, diese Gräuel zu bedecken mit dem schrecklichen Werk des Vulkans, mit dem Mantel reinen Christentums“. Wenn ihr euch nicht bessert, werdet ihr auch also umkommen (Luc. 13. 5). Unser Volk hat viel edle Kraft unverbrauchter Echtheit und unangetasteter Frische, aber einmal aufgebraucht, kann dies reiche Kapital nimmer ersetzt werden. Wir hören mit Beben die Weissagung seines größten Sohnes und treuesten Freundes, er könne für sein Volk nimmer recht beten, es hindere ihn gar viel daran. Reichere Völker sind zu den Toten hinabgestiegen, edlere Kultur ist wie die Waldblume dahin gewelkt, weil der Zornesgeist des Herrn hinein blies; unser Volk hat keine Verheißung zu bleiben bis Er kommt, wol aber die Drohung, daß, der nichts habe, auch das verliere, was er hat. Sittlichkeitsvereine tuen es nicht, und Bündnisse zum weißen Kreuz tuen es auch nicht, wir ehren dankbar die Proteste eines Perthes gegen Verlag und Handel mit Unreinem, eines Philosophen, daß ein einfacher Arbeiter, der nur eine Elementarschule besucht habe und sich sorgfältig vor unzüchtigen Worten und Handlungen hüte, mehr Bildung habe als ein zotenreißender Akademiker, und hätte er drei Doktorgrade, und freuen uns der mannhaften Mahnungen bedeutender Aerzte, eines Ribbing und Gruber, zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit. Dankbar erkennen wir die pädagogischen Bemühungen an und halten es für einen feinen Rat, mit der Parallelisierung des vegetativen und animalischen Entwicklungslebens zum menschlichen