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umrauscht, in den Ohren des Hochgelobten ist es wie ein Vorton der Heimat und wie ein Gruß aus ewiger Gottesnähe: Hier beichtet einer, wo alle mich verwerfen. Meine Jünger haben mich verlassen, verleugnet, verraten. Mit denen ich das Brot brach, von denen werde ich verstoßen. Denen ich ins Herz sah, von denen werde ich verkannt. Um deren Liebe ich warb, die betrügen mich um ihre Gegenliebe. Aber hier erhebt sich unter all dem Eis und der Erstarrung eine Frühlingsblüte, unter all der bitteren Enttäuschung, die das Kreuz des Herrn umgibt, – „ich dachte, ich arbeitete vergeblich und brächte meine Kraft umsonst und unnütz zu“ (Jes. 49, 4) – grünt langsam ein Kräutlein Selbsterkenntnis, suchende, um Worte verlegene, stammelnde Beichte: „Wir sind billig darin.“

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 Und neben dieser Beichte und ihrer armseligen Beschuldigung eine unscheinbare Huldigungsbezeugung: „Dieser hat nichts Ungeschicktes getan“ (Luk. 23, 41). Wie gering ist diese Erkenntnis Jesu! Ist das alles, was die Welt von ihm sagen kann? Von dem, der umher gegangen ist und hat gelehrt und gesund gemacht alle, die vom Teufel überwältigt waren, der da gewaltig predigte und nicht wie die Schriftgelehrten, der sein Leben zur Erlösung für viele gab und nicht gekommen ist, daß er ihm dienen lasse, sondern daß er diene, von dem wird das geringe Lob ausgesagt: „Er hat nichts Ungeschicktes getan.“ In dieser Abendstunde, da für den Herrn die Sonne der Gottesnähe zum Scheiden ging, in dieser Stunde war auch die arme Huldigung ihm wie ein wundersamer Gottesgruß, wie ein Balsam in seine heiligen Wunden und wie ein Friedenswunsch in sein bitteres Leid. Also ein Mensch, der mir seine Schuld bekannt, ist auch willig und bereit, mir ein Zeugnis zu geben von meiner Reinheit, ein Mensch – in demselben Atem, in dem er

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Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 23. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/25&oldid=- (Version vom 1.8.2018)