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der Unvollkommenheit unserer Beichte, aus der Dürftigkeit unserer Jesusanschauung bitten wir: Gedenke an mich! Soweit und soviel du Wichtigeres hast als mich, so viel größere Gedanken dich umgeben, vergiß es nicht: ich bin ja auch ein Gedanke deines Vaters. Vergiß es nicht! Gedenke an den, den dein Vater dachte, denke an mich und schäme dich nicht meiner, ob ich mich gleich deiner so oft geschämt und geweigert habe!

 Und auf diese Beichte, das sei das Letzte, folgt die gnadenreiche, selige Lossprechung, das Gnadenwerk des barmherzigen Herrn: „Wahrlich, ich sage dir.“ Zwar die Arme kann er nicht segnend erheben, die haben sie mit Nägeln durchgraben, und er kann auch nicht zu dem armen, beichtenden Beter sich wenden, sie haben ihn ja ans Kreuz geheftet, aber sein Wort, vor dessen Klang die Stürme schweigen, vor dessen Größe alle Angst zergeht, trifft ihm, das Wort, mit dem der Herr sich selbst verpfändet, seine Ehre uns als Bürgschaft gibt, indem er bei sich selbst schwört: „Wahrlich! sage ich dir.“ Dem armen Bekenntnis eine gewaltige Antwort, der suchenden Beichte der Bescheid des Besitzers, der tastenden Frage die Antwort der ewigen Gewißheit, vor der die Zweifel zerlohen, wie Nebel zergeht! „Wahrlich, ich sage dir“, so spricht der, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, der in den suchenden Gedanken der armen Seelen wohnt, der sie von dem Tod zu erretten gekommen ist. „Wahrlich, sage ich dir“, – und indem er so spricht, vergehen die Sünden, als wären sie nie gewesen, und die Missetaten treten ins Dunkel der Vergessenheit zurück, als wären sie nie geschehen, und ein sündenbedecktes Leben, auf dessen einer Seite die Schuld und auf dessen anderer Seite die Unterlassung steht, wird von der Gnadensonne durchleuchtet.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/29&oldid=- (Version vom 1.8.2018)