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Makel vergossen ward, das macht uns rein von Gedankensünden und Wortfehlern und Werkschäden. Er ist es, der es vollbracht hat, und wenn nun das Leben mit seinen Widersprüchen, mit seinem Aufstehen und Niedersinken, mit seinen tausend Gelübden, denen keine einzige Tat antwortet, mühsam, betrüblich, beschwerlich sich ausgekeucht, ausgeseufzt hat, – er gönne es uns, daß wir dann sagen, willenlos und doch voll Gewißheit, indem wir ihm unsere Hände unterbreiten: Du hast es doch und trotz allem vollbracht!

 Die selige Tat, in der der Glaube seinen Ursprung und die Hoffnung ihr Recht gefunden und bewahrt hat, ist die Tat der ewigen Liebe. Als unser Herr starb, sah die Erde so wüst und nächtig, so frühlingsfern und so in Winterharm her. Aber in diese winterkalte und todesstarre Erde war das Weizenkorn eingesenkt, damit es sterbe und auferstehe. Jesus, der Anfang einer neuen Menschheit! Und wenn es auch keine reichen Garben und keine wogenden Felder und keine herrliche Ernte sein sollte, es wird doch eine Ernte werden, in der beide sich freuen, Säemann und Schnitter.

 Gott helfe uns, daß uns, so oft wir dieses Wort betrachten, das göttlich große, das schwere und selige Werk der Erlösung vor Augen trete und wir aus tiefster Seele ihm danken können dafür, daß er uns erlöset und, wenn es mögnicht hat verzweifeln wollen. Der da sprach: Es ist vollbracht! hat ja auch an mich gedacht!

Amen.


Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/79&oldid=- (Version vom 1.8.2018)