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1874 starb Strauß zu Ludwigsburg, der Zertrümmerer der christlichen Wahrheit, so es möglich wäre, gepflegt von einer Stuttgarter Diakonisse. In Platons Phädra blätterte er nach der Unsterblichkeit der Seele. Dann schob er das Buch weg: auch ein überwundener Standpunkt. Wilhelm Löhe aber stand auf überwindendem. Sein bestes Lied aus dem Jahre 1848 hebt an:

O Gottessohn, voll ewiger Gewalt,
O Menschensohn in göttlicher Gestalt,
Der Gottes Macht und Ehren überkommen,
Du hochgelobter Herr und Christ,
Der du der Deinigen Verlangen bist,
Zu dir, zu dir, zu dir begehr auch ich,
Nur wo du bist, da find ichs wonniglich! –
Gaukeln, schaukeln mag der Nachen,
Wellen lachen:

 Süßer Schlaf – und kein Erwachen. – Das ist das Letzte von Strauß! –

 Vor den Toren Hannovers liegt ein alter Friedhof, noch aus den Tagen, da Englands Könige die Kurfürsten Hannovers waren. Manchmal bin ich an den Gräbern gestanden, am öftesten an einem unweit der Kirche, das die stolze Inschrift trägt: Dieses Grab darf in Ewigkeit nicht geöffnet werden. Der im Himmel wohnt, lacht solcher Verbote und sandte einen Vogel als Boten, der im Vorbeiflug ein Samenkorn auf dieses Grab warf. Aus dem Samen ward ein schwaches Reis, aus dem Reise eine alle Jahre neu sich begrünende Birke, die ihre Wurzeln durch den Grabstein trieb und ihn sprengte. Das ist auch Ironie des heiligen Gottes.

 Es liegen manche Gedanken an Leid und Leiden auf den Herzen der Volksfreunde. Wird nach dem harten, herben Ringen, an das Deutschland sein Bestes wagt und zu dem es seine edelsten Kräfte einsetzt, ein Friede heraufsteigen, der des Blutpreises wert ist? Ein Friede, den nicht Federn und Gedanken künstlich und fein bereiten, sondern die Volksstimme segnet und gutheißt? Wird der Friede den Dank entfachen für den Gott, der groß und wunderbar in der Wolkensäule des Tags und in der Feuersäule des Nachts dem Volke voranging, es mit Fürsten und Führern nach Seinem Herzen begabte und seinen Arm machtvoll stärkte und väterlich stützte? Oder wird mit dem Dankchoral im Gotteshause und dem Ausläuten

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Hermann von Bezzel: Passionsgedanken. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1916, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Passionsgedanken.pdf/14&oldid=- (Version vom 10.11.2016)