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eines Glaubensbegriffs verdrängt, Kirche ist nimmer Macht, sondern Begriff, nimmer lichte Tatsache, sondern undurchsichtiges Geheimnis vielleicht nur etwas Gewesenes, jetzt aber Unnützes! Das ist der Erfolg neunzehnhundertjähriger Arbeit! Die Christenheit in ihren Massen nicht nur kirchenfeindlich, sondern Gott abgewandt. Unter der Leitung des heil. Geistes – ich rede töricht – scheinen Laster emporzusprießen, welche die Heidenwelt mit Schrecken kannte und nannte. Das Salz scheint dumm und nur noch äußere Form und Farbe zu bewahren, das Licht brennt trübe nieder und der Herr der Kirche ist ferne weggezogen, ohne ihr sich wirksam zu bezeugen. Da drängt sich aus den Tiefen des Geistes der Seufzer durch: Komm! Ein Tag deiner Offenbarung würde Feinde niederwerfen, Freunde ermutigen, würde zerstören und verneuen. Wie der Angstruf des Verfolgten, wie das Sterbensröcheln eines Todmatten klingt dieses „Komm“!

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 Wenn aber der heilige Geist Neues schaffen und schenken will, weil er ein Geist der Fülle aus den göttlichen Tiefen holt, so bedrohen ihn falsche Freunde, denen Nachahmung höher steht, als Nachfolge und äußere Bewahrung mehr gilt als innerliche Verneuerung und bezichtigen den Geist Gottes der Untreue, den Geist der Geschichte der Leugnung seiner selbst. Von Freund und Feind verkannt, ohne Erfolg, als arbeitete er vergeblich (Jes. 49, 4) klagt der heilige Geist dem sein Leid, der ihm das seine so oft anvertraut hat. Ist diese Klage und Bitte ein Tun, ist sie ein göttliches Tun? Geliebte, jedes Wort des Geistes ist eine Tat, weil es sein ganzes Wesen ausdrückt und sein ganzes Werk herausfordert. Denn der heilige Geist gibt seinem Wort Nachdruck und fördert die Erfüllung seiner Bitte, indem er den Aufhalt aus dem Weg räumt und Bahn macht (Jes. 57, 14). Seit bald zwei Jahrtausenden müht er sich, Jesu entgegenzugehen, entgegenzuführen. Du hörest das Rauschen des Stromes, der aus der Ewigkeit durch die Zeit zur Ewigkeit fließt, du vernimmst das Brausen als eines gewaltigen Windes – bald deutlicher und näher, bald wie aus weiter Ferne! Das ist der heilige Geist, der durch die Zeiten ihrem Herrn entgegeneilt und mit sich fortträgt, die ihn wollen, die Tausende, die nach Jesu rufen. Wir trösten uns wahrlich nicht über den Abfall in der Heimat mit der Sehnsucht der Heidenwelt, halten den Gedanken an eine Weltbekehrung für unevangelisch und Christo ungemäß, der nur verheißen hat, daß der Heroldsruf von einer Frohbotschaft durch alle Welt gehen soll, – glauben nimmer an einen numerischen Gewinn, der dem

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Hermann von Bezzel: Predigt am Missionsfest in Nürnberg. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1911, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Predigt_am_Missionsfest_in_N%C3%BCrnberg.pdf/5&oldid=- (Version vom 10.9.2016)