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Aber das Pflaster draußen ist von Blut gerötet und die Glocken von St. Germain d’Auxerroi sind noch nicht verstummt, die den 24. August 1572 ausläuteten und treuen Bekennern des Evangeliums zu Grabe klangen. Was Frankreich gegen das Evangelium verschuldet und verwirkt hat, wäscht kein Wasser weg und sühnt und reinigt nur die reuevolle Wahrhaftigkeit. Zwischen Aberglauben, Unglauben und heißem, tränenreichem Suchen schwankt das unglückliche Land haltlos umher. Und seine Hand legt sich wieder in die Rußlands. Absolutismus und Revolution verbünden sich zum Schutze des Kreuzes, das beide verleugnen.

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 Den Segen aber zu dieser Verbrüderung spricht England, das von dem Geiste der Wahrheit verlassen alle Maßstäbe verloren hat und, wie der Heiland sagt, sich selbst „vermißt“ (Luk. 18, 9). Seine treuesten Männer haben es ihm gesagt, es glaube nicht mehr an den allmächtigen Gott, sondern an „den Vater Dollar, den Allerhalter und treuesten Freund“. 1850 predigte Robertson: „Wir Engländer haben einen krankhaften Erwerbtrieb! Die Wurzeln unseres Lebens ruhen im Geiz und in der Begehrlichkeit, nicht mehr zu genießen, sondern zu haben.“ So taumelt das Volk von Begierde zum Genuß, heute verlangt es die Kohlenlager Belgiens und morgen die größten Diamanten Indiens, heute genießt es den Ruhm der größten, morgen der stärksten Flotte. Und beim Genuß verschmachtet es vor Begierde. Seine Kolonialpolitik muß alles in sich aufsaugen, seine Mission muß vor Christus oder zum wenigsten mit ihm Englands Macht verkündigen, seine Kirchengebete danken für „den großen Schatz der Vaterlandsliebe bei den Bankhäusern und Handelsgesellschaften“! Und ist es nicht wie ein Hohn, daß ein mächtiger Mann jetzt in England bedeutend ist, der in seiner Jugend, um aus Geldverlegenheiten zu kommen, den Brief seiner Großmutter verkaufte, die ihm Geld abschlug, und damit Großes gewann! – Die Pall mall Gazette hat vor dreißig Jahren Blicke in die furchtbaren Nachtseiten der Weltstadt aufgeschlossen. Jetzt wieder rechnet man zwei Millionen Enterbte, Verstoßene, Gescheiterte und Geschändete, die rücksichtslos in die

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Unsere Feinde. , Ansbach ca. 1915, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Unsere_Feinde.pdf/8&oldid=- (Version vom 10.9.2016)