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fortan: „Glaube an den Herrn Jesum Christum und tue die Werke deines Berufs“, da fällt selbstgemachte Heiligkeit, bei der das Wasser im Munde zusammenläuft – man denke an jenen Anhaltiner Fürsten mit der Bettelkappe in den Gassen Magdeburgs, – die Virtuosität der Sittlichkeit, die Erfüllung der „evangelischen Räte und der hohen Gelübde“, die doppelte Sittlichkeit der Armen und der Helden, dieser griechisch-heidnische Gedanke in Staub und Trümmer. „Christliche Vollkommenheit besteht nicht darin, daß ich mich vom Irdischen absondere, sondern der Glaube und echte Gottesfurcht im Herzen ist die Vollkommenheit.“ Alle Menschen, „sie seien in welchem Stande sie wollen, Bauern oder Schneider oder Bäcker sollen ein jeder in seinem Beruf nach der Vollkommenheit streben und allezeit zunehmen in Gottesfurcht, im Glauben und Liebe gegen den Nächsten, und dergleichen geistlichen Gaben“ (Apolog). Nun kommen die ehrsamen Gewerke des Melchior Lotter, des Hanns Lufft, des Hans Sachs und des Meister Nunnenbeck, die edle Kunst Albrecht Dürers und Lukas Kranachs, die Staatsweisheit der Hans Metzsch und Berlepsch, der Feilitzsch und Rühel, der Brück und Beyer, der Vogel und Schurff, der Maler und Meister, der Ratsherrn und Rechtsp[r]echer, der Kanzler und Vielgelehrten zu ihrer Geltung, und auch der Kriegsmann kann in seligem Stande sterben. Nun erblüht jedwedem Stande seine Ehre und erwächst ihm sein rechtes Ziel. Erdenberuf, dieses echt evangelische Wort, ist das gottgefällige Gefäß, in das man den Heiligungswillen einsenkt, aus dem die Heiligungsgaben erstrahlen: „Da siehe deinen Stand an!“ In solcher Heiligung, da Wort und Wille, Werk und Wesen dem sich zuneigen, von dem sie herstammen, ersteht die Freude am Kreatürlichen, am Frühling und seiner Pracht, am Sommer und seiner Freude, am Herbst und seinem Reichtum, an allem Edlen und Reinen, das Gott geheiligt hat, damit der Mensch es nicht gemein mache. Hier hat auch der reine, köstliche Humor seine Wurzeln und Stätte, der „wie Silberwolken auf der Himmelsbläue des Glaubens dahinzieht“ (Kögel).

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 Aus dem Heiligtum der Kirche soll Kunst und Klang nicht verbannt werden wie Karlstadt und Thomas Münzer es wollten, Zwingli und Calvin mit rauher, strenger Hand es ausführten. Wenn Friedrich V., der sog. Winterkönig, streng puritanisch erzogen, als erste Tat in Prag die Entfernung des großen silbernen Hängekreuzes in der Kapelle des Hradschin anordnete, daß es dröhnend auf das Kirchenpflaster fiel und