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Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843


Prinz August Friedrich nach einem Gemälde von West.
Die Mitte der Gruppe nimmt der verstorbene Herzog von Sussex ein, zu seiner Linken steht der Prinz Ernst August, jetziger König von Hannover; zur Rechten sitzt auf dem Schoße seiner Schwester, der Prinzessin Augusta Sophia, Prinz Adolph Friedrich, jetziger Herzog von Cambridge.

weil dort ein deutscher Freund von ihm, Graf Schulenburg, ruhte, der auf einer Besuchsreise in England plötzlich starb und dem er selbst eine Grabstätte ausgewählt hatte. Die Königin gewährte den Wunsch ihres Onkels und so wurde dieser nach einer achtstündigen Ausstellung auf dem Paradebette am 4. Mai Vormittags unter Begleitung des Prinzen Albert, des Herzogs von Cambridge, des Erbgroßherzogs von Mecklenburg-Strelitz, der Minister und einer zahlreichen freiwilligen Leichenbegleitung ohne übertriebenen Prunk auf dem Kirchhof von Kensalgreen in einem Gewölbe beigesetzt, bis das ihm bestimmte Grabmal vollendet ist.

Die letzten Augenblicke des Herzogs von Sussex.

Die Persönlichkeit des Herzogs von Sussex fiel sehr in die Augen. Er war einer der längsten und stärksten Männer in England und hatte 6 Fuß 31/2 Zoll nach dortigem Maß. Auch sein Gesicht war voll und rund, zeigte selbst im Greisesalter kaum eine Runzel und trug das Gepräge der Gutmüthigkeit. Ohne Hofmanieren, war sein Benehmen doch würdig und angemessen. Seine Verdienste als Beschützer von Kunst und Wissenschaft und als Beförderer jeder wohlthätigen Unternehmung sind des höchsten Ruhmes werth, und kommen wir darauf wol später wieder zurück.

70.

Der Process Caumartin.

In der Schwalbenstraße (rue des hirondelles) zu Brüssel liegt unter No. 11 ein Haus, das durch einen tragischen Auftritt, bei dem die Sängerin Kathinka Heinefetter mitwirkte, für die Künstlerwelt, wegen eines Processes, der daraus entstanden ist und in jeder Bedeutung des Ausdrucks, eine cause célèbre bildet, für die juristische Welt, und vermöge des dabei gestatteten Blickes in Kreise und Sitten, welche in der Regel dem fremden Auge als Privatverhältnisse verschlossen bleiben, für das ganze Publikum ein ungewöhnliches Interesse erlangt hat. Da der Auftritt selbst, die daraus entstandene juristische Frage und das ganze Sittengemälde nur durch eine genaue Kenntniß des Schauplatzes verständlich wird, so gibt die

Wohnung der Kathinka Heinefetter.

Illustration eine Abbildung des Hauses, sowie der Stube von Fräulein Heinefetter nebst einem Grundriß ihrer ganzen Wohnung. Das Haus gehört Hrn. de Merr, der auch darin wohnt; die Etage, in der Fräulein Heinefetter’s Zimmer lagen, war an die Schauspielerin Julie Kinzinger, genannt Fräulein Lebrun, vermiethet. Beide, sowie Hrn. de Merr Dienstmädchen Celestine Josephe Surlerour erschienen als Zeugen in dem Proceß, bei dem der ganze Vorhang, welcher im Anfang den Auftritt verhüllte, allmälig aufgerollt wurde, und nach dessen Verlauf wir die Hauptzüge wiederholen, wie sie nach und nach hervortraten.

Am 12. April, Morgens um 8 Uhr, war der Sitzungssaal des Assisengerichts zu Brüssel mit Neugierigen gefüllt. Gegen 10 Uhr erschien eine Dame in Trauerkleidung, geführt von einem Advokaten in Amtstracht. Es war Frau v. Villeneuve, eine Schwester von Aimé Sirey, der in dem Zimmer von Kathinka Heinefetter seinen Tod gefunden. Mehre Verwandte Caumartin’s, der als Urheber von Sirey’s Tode angeklagt ist, sitzen auf Stühlen vor dem Platze der Geschwornen. Hr. Chair d’Est-Ange, Vorsteher der Kammer der Advokaten in Paris, nimmt neben dem Brüsseler Advokaten Vervoort den Platz der Vertheidiger ein. Nach 10 Uhr erscheint das Gericht: vier Appellationsräthe als Beisitzer und Hr. van Mons als Präsident. Der jetzige belgische Justizminister, Baron d’Atethan, nahm damals als Generaladvokat den Platz des Staatsanwalts ein und führte die Anklage.

Auf Befehl des Präsidenten wird der Angeklagte eingeführt. Es ist ein junger Mann von sehr sanften und feinen Gesichtszügen, ganz schwarz gekleidet, mit weißem Halstuch. Nachdem die Geschwornen ihre Plätze eingenommen haben, eröffnet der Präsident die Verhandlungen mit Befragung des Angeklagten, der sich „Augustin Eduard Caumartin, Appellationsgerichtsadvokat in Paris, 29 Jahre alt“ nennt, und läßt dann die vom Staatsanwalt

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: Illustrirte Zeitung, Nr. 3 vom 15. Juli 1843. J. J. Weber, Leipzig 1843, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Illustrirte_Zeitung_1843_03.pdf/5&oldid=- (Version vom 7.6.2018)