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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

fulguris effector zukommt, auf den deus deorum übertragen, er hat diesen und Perun zu einer Person gemacht. Besonders spricht noch für diese Ansicht der Umstand, dass anderwärts gar keine Andeutung über Opfer vorkommt, welche dem deo deorum dargebracht worden seien, und dass gerade die erwähnten Opfer mit denjenigen übereinstimmen, von welchen wir sonst wissen, dass sie dem Perun dargebracht wurden. Deshalb ist denn auch dieser Nachricht in ihren Einzelheiten nicht zu viel Gewicht beizulegen, zumal Helmold, ein zwar viel späterer Schriftsteller, der aber lange Zeit seines Lebens mit Slawen verkehrte und sie genau kannte, genauer darüber berichtet. Wie sehr aber beide Schriftsteller im Wesentlichen ihres Berichts übereinstimmen, davon zeugt der dritte Abschnitt der Stelle Procop’s; denn die alia numina, welche nach diesem von den Slawen verehrt werden, quibus omnibus operantur, et inter sacrificia conjecturas faciunt divinationum, sind offenbar keine anderen als die, von denen Helmold sagt: hos vero distributis officiis obsequentes de sanguine eius processisse unumquemque praestantiorem, quo proximiorem illi deo deorum, und bei derern Dienste als ein Hauptmoment gerade Opfer und Weissagung in den einstimmigen Berichten der späteren Schriftsteller des Mittelalters erscheint. Der mittlere Theil endlich des von Procop gegebenen Berichtes dürfte sich gleichfalls als schwankend und ungenau bei näherer Betrachtung herausstellen. Gewiss stehen hier wohl fatum und deo einander gegenüber. Der Schriftsteller will offenbar, wie es scheint, mit Hinblick auf die ihm wohlbekannte griechische mythologische Ansicht, sagen: ein Fatum, ein blindes, unabwendbares Geschick, dessen eiserner Nothwendigkeit auf keine Weise zu entrinnen ist, wie die Griechen und Römer lehrten, kennt der Slawe nicht, nach ihm beruht alles lediglich in dem Willen, oder besser der Willkühr der Gottheit; kann man sich diese geneigt machen, wenn sie das Leben in irgend einer Weise bedroht, so entgeht der Mensch der ihm bevorstehenden Gefahr, sie nimmt das Leben des Thieres, das geopfert wird, für das des Menschen gleichsam als Entschädigung hin, und dieser ist von der Gefahr frei. Darum müssen es aber auch blutige Opfer sein, denn es gilt Leben für Leben. Es darf nun wohl gefragt werden, ob Procop bei den Worten: at cum sibi vel morbo correptis — — iam mortem admotam vident, deo vovent, si evaserint, continuo victimam pro salvo capite mactaturos so bestimmt an den deum dominum huius universitatis solum gedacht habe, oder ihm nicht vielmehr die alia quaedam numina, denen geopfert wurde, vorgeschwebt haben und er nur durch die Vermischung des höchsten Gottes mit dem Perun verführt wurde, diese Nachricht in die Mitte zu stellen. So viel ist aus dem Procop selbst klar, der Obergott wurde nicht von den Menschen um die Zukunft ausdrücklich befragt, wie die alia numina, von welchen berichtet wird, dass man inter sacrificia conjecturas divinationum mache, und aus späteren Nachrichten weiss man, dass vorzüglich bei Krieg und Schlachten die Gottheit über die Zukunft befragt wurde. Mit Gewissheit geht daraus also mindestens hervor, dass die Erzählung des Griechen nur in ihrer Allgemeinheit richtig, in ihren Einzelheiten jedoch verwirrt und durcheinander geworfen ist, so dass es wohl erlaubt ist, sie nach späteren, genaueren Schriftstellern zu modeln, und nothwendig, ihr nicht zu grosses Gewicht auf Kosten der letzteren einzuräumen, oder gar dieselbe in allen ihren Einzelheiten zum Grunde einer Darlegung der Anschauung vom höchsten Gotte bei den Slawen machen zu wollen. Aus dem Allen stellt sich heraus, dass für uns diese Stelle nur in sofern von grosser Bedeutsamkeit ist, als sie zeigt, wie wahrhaft die Nachrichten Helmold’s sind, wie gleichmässig die religiösen Anschauungen in allen slawischen Ländern, im Süden wie im Norden waren, wie tief sie Wurzel geschlagen hatten, da ein Zeitraum von Jahrhunderten sie uns unverändert zeigt, und wie sicher wir daher den Schluss von späteren Erscheinungen auf ihr viel früheres Vorhandensein machen dürfen.

 Wie die Slawen nun diesen Obergott genannt haben, darüber gibt uns keine

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/352&oldid=- (Version vom 4.4.2020)