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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien

Meisters vorliegt, und zwar eine sehr getreue. Henri Hymans[1] hat nun die zu wenig beachtete Vermutung aufgestellt, unser Triptychon könnte mit einem von Philipp dem Schönen im Jahre 1504 bei Meister Bosch bestellten großen Altarwerke[2] identisch sein. Die Gegenstände des Wiener Triptychons, das Jüngste Gericht, das Paradies und die Hölle, stimmen mit denen des urkundlich erwähnten Werkes in der Tat überein, nicht aber die Masse: der Wiener Flügelaltar ist beträchtlich kleiner als der im Auftrage Philipps des Schönen gemalte, für den die ungewöhnlich hohe Summe von 36 Pfund gezahlt wurde. Daraus möchte ich schließen, daß wir in dem Wiener Jüngsten Gerichte eine kleinere getreue Kopie nach dem heute verschollenen großen Altarwerke des Meisters besitzen. Diese Annahme wird durch die Betrachtung der Außenseiten der Flügel bestätigt, die in Grisaille die Gestalten des hl. Bavo und des hl. Jakobus von Campostella und darunter in gotischer Umrahmung je ein leeres Wappenschild enthalten. Zu welchem Besteller könnten die beiden Heiligen, der eine der Schutzpatron der Niederlande, der andere der Schutzpatron Spaniens, besser passen als zu Philipp dem Schönen, der in den Niederlanden seine ganze Jugend verbracht hatte und als König von Spanien fern von seiner Heimat ein frühes Ende finden sollte? Der Umstand, daß die beiden Wappenschilder leer sind, deutet wiederum darauf hin, daß wir hier eine Kopie vor uns haben; denn auf dem Originale werden die Wappen, wohl die von Burgund und von Kastilien, kaum gefehlt haben.

Man stelle sich nun nach unserer Kopie das wohl für immer verlorene Altarwerk, das vielleicht Boschs umfangreichste Arbeit gewesen ist, vor und denke sich besonders die prachtige Wirkung der echt Boschischen Heiligengestalten, die auf dem Originale in Lebensgröße dargestellt gewesen sein müssen, und man wird von der Richtigkeit unserer Annahme überzeugt sein, daß kein anderer als Bosch selbst der Erfinder dieser Kompositionen gewesen sein kann. Damit verschwindet die Gestalt des Monogrammisten , die Dollmayr geschaffen hat, wohl für immer aus der Kunstgeschichte, und die Bezeichnung , die sich auf den Messern des Wiener Jüng­sten Gerichts und des Triptychons in Valencia gefunden hat, ist wohl in der Tat, wie schon Th. von Frimmel[3] bemerkt hat, nichts anderes als die Marke eines Waffen- oder richtiger eines Messerschmiedes[4]. Die Stadt Herzogenbusch, wo Bosch lebte und von der er seinen Namen hat, war nach Guicciardinis Angabe berühmt durch ihre Messerfabrikation; es würde gerade unserm Meister ähnlich sehen, wenn er Messer mit der Marke eines Schmiedes seiner Vaterstadt als Hausrat der Hölle und als Waffe eines Häschers Christi verwendet hätte. Das würde zu seinen satirischen Neigungen sehr wohl passen.

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Gustav Glück: Zu einem Bilde von Hieronymus Bosch in der Figdorschen Sammlung in Wien. , 1904, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrbuch_der_k%C3%B6niglich_preuszischen_Kunstsammlungen_vol_025_Zu_einem_Bilde_von_Hieronymus_Bosch_in_der_Figdorschen_Sammlung_in_Wien.djvu/10&oldid=- (Version vom 13.3.2023)
  1. Le Livre des Peintres de Carel van Mander I, S. 174.
  2. Die Urkunde darüber hat Alexandre Pinchart in den Archiven von Lille entdeckt und in seinen »Archives des Arts, Sciences et Lettres«, I, S. 268 veröffentlicht, sie lautet folgendermaßen:
    »A Jéronimus Van Aeken, dit Bosch, paintre, demourant au Bois-le-Duc, la somme de XXXVI livres, à bon compte sur ce qu’il pourroit estre deu sur un grant tableau de paincture, de IX pieds de hault et XI pietz de long, où doit estre le Jugement de Dieu, assavoir paradis et enfer, que Monseigneur lui avoit ordonné faire pour son très-noble plaisir.«
  3. Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen I, S. 461.
  4. Es ist bezeichnend, daß auch auf der der Schule Cranachs angehörenden Kopie des Jüngsten Gerichts im Berliner Museum (Nr. 563) das Monogramm auf der Messerklinge beibehalten erscheint. Dieser Kopist des XVI. Jahrhunderts hat es also auch nicht als Künstlersignatur gedeutet.