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allerhand geworden, ein Erwerbsmittel, eine Zerstreuung, eine Schwärmerei, eine Lebensversicherung – aber sie war nicht geblieben, was sie sein sollte, eine Anbetung Gottes und eine Richtschnur des Lebens.

Diesem erstarrten Wesen setzte Luther das ewige Recht der Menschheit, die Macht der öffentlichen Meinung und die ganze Kraft seiner Persönlichkeit entgegen. Gegenüber der hohlen Werkheiligkeit des Katholicismus stellte Melanchthon ein einfach großes Glaubenssystem auf (Loci comm. Witt. 1521), wodurch er die Reformation vor der Bildung und Gelehrsamkeit seiner Zeit siegreich rechtfertigte. Ausgehend von der tiefsten Hülflosigkeit der Menschen, die sich in der Lehre von der Erbsünde darstellt, zeigt es uns in Christo die vollkommene Genugthuung der göttlichen Gerechtigkeit für die Sünden des menschlichen Geschlechts. Im Glauben d. h. in der Hingabe des ganzen Gemüths an Christum ist das alleinige Heil. Was von den Satzungen und Werken der Kirche den Glauben fördert, ist heilsam; was ohne ihn geschieht, unnütz; was ihm entgegen, verwerflich. Mit dieser Waffe schlugen die Reformatoren den Katholicismus.

Aeußere Forderungen traten hinzu. Die bischöfliche Gewalt in den einzelnen Ländern Deutschlands war schwach geworden. Wir müssen etwas zurückblicken in die früheren Jahrhunderte, um dies zu erklären.

Ursprünglich wurden die deutschen Bischöfe von dem Kaiser eingesetzt. Gestützt auf die Macht desselben erlangten sie in ihren Bezirken allmählig einen größeren oder kleineren Kreis weltlicher Herrschaft. Da begann der große erschütternde Streit, zwischen dem Pabstthum und der Kaisergewalt über das Recht, die Bischöfe zu ernennen, – ein Streit, der Keinem zum Segen, aber Vielen zum unersetzlichen Schaden gedient hat. Seit der Zeit ist die weltliche Macht der geistlichen feind geworden und eine ehrliche volle Versöhnung hat nicht stattgefunden bis auf diese Stunde. Das ist der unselige Streit zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. Die geistliche Macht siegte, aber der Sieg war die Quelle bitterer Demüthigung in den folgenden Zeiten. Wären die Päbste im Stande gewesen, ihr

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 090. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_090.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)