Seite:Köster Alterthümer 111.png

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nicht dem Namen, doch der That nach zur lutherischen Lehre überging. Es wäre nutzlos gewesen, in Verden auf ähnliche Weise wirken zu wollen; die Chronik sagt: „er könte dasmahl den Ertz Bischof noch vielweniger sein Capitul bekehren, die waren in der Papisterey auferzogen sammt allen Geistlichen so damahls bey der Kirchen gelebt.“

Mit steigendem Unwillen sah er den katholischen Prunk und hörte die Gesänge zum Lobe der Maria. Immer mächtiger wurde in ihm der Gedanke, dies Unwesen müsse aufhören und der Tempel gereinigt werden vom Götzendienst. Bei der höheren Geistlichkeit konnte er keine Hoffnung sich machen, er mußte sich an das Volk wenden. Der Geist seiner Zeit kam über ihn. Er wollte den Feind im eigenen Hause aufsuchen und bekämpfen.

Seines Entschlusses voll ging er zum nächsten Gebüsch – es war ein Haselnußstrauch –, flocht sich einen Kranz von welken Blättern und setzte sich denselben auf das Haupt. Welche Absicht er dabei gehabt haben mag, ist schwer zu sagen. Mit diesem sonderbaren Schmucke geziert, begab er sich in die Domkirche. Das Hochamt war vorüber, der Bischof und die hohen Geistlichen hatten die Kirche verlassen. Das Volk aber war noch versammelt und hörte der Predigt zu. Sie wurde vom Domprediger Johann Dingschlag gehalten. Nichts konnte geeigneter sein, einen Mann, der von reformatorischen Gedanken erfüllt war, aufzuregen, als die Persönlichkeit des genannten Predigers. „Der gemeldter Thum-Prediger Dingschlag hatte ja so wohl verdienet, daß er wäre alsobald an den Galgen gehencket; denn er war ein Dieb und stohl bald hernach Anthonies dem Küster im Thum seine Schlüssel, gieng hin, schloß damit sein Hauß und ein Cantor in der Stüben auf und stohl ihm 20 Gold-Gülden Geldes, legte ein Zettel darin; Lieber Tönnies, meye dich nicht zu sehr, diß Geld soltu bald wiederum bekommen und die Zinse dazu. Item er stohl auch einen silbernen Becher auf Herr Johann von Münchhausen Hofe. Dieser Dingschlag war auch des Capittuls Stationarius, zog mit unser lieben Frauen Bilde umher, sammlete damit groß Geld und sparete bißweilen den dritten Pfenning davon und lernete also das Stehlen

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_111.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)