Seite:Köster Alterthümer 202.png

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Im ungewöhnlichen Schmucke, der noch im vorigen Jahre 800 Thaler kostete, begrüßt die Braut an der Seite des Verlobten vor dem Hause die herbeiströmenden Gäste, bald einem Verwandten, bald einem Bekannten aus der Ferne, bald einem nahen Städter die Hand reichend. Einfach tritt der Bräutigam auf, im schwarzen oder jetzt auch wohl blauen Oberrocke; die Braut aber im bunten Kranze von gemachten Blumen und knitterndem Silber- und Goldblech, mit ein paar Fuß langen Flügeln, den gewöhnlich die Predigerfrau gegen eine Vergütung, je nach der Pracht desselben, herleihet, während die übrigen Frauen heute nur eine blendendweiße dutenartige fußhohe Kopfbedeckung (Schedock) haben; die sonst üblichen sechs bis acht Reihen Silberperlen haben an diesem Tage einem Bernsteinschmucke, oft achtzig Thaler werth, Platz gemacht; eine Jacke mit zwölf silbernen Knöpfen, die halb auf, halb unter dem Aermel sitzen, ist angelegt, das Brusttuch (Roddur), mit goldenen oder silbernen Tressen besetzt, deckt die Mitte der Brust, wo wieder Silberknöpfe und eine große Spange von einer 9–12 Ellen langen silbernen Kette (Bossen) als Schnüre umschlungen werden; während den Leib nicht selten zwölf, ja dreizehn Röcke umhüllen, die aber wegen ihrer Schwere auf einem daran festgenäheten hedenen Polster (Wulst) ruhen. Eine Taftschürze, die schon bei der letzten Abendmahlsfeier, wenige Wochen vorher, eingeweihet wurde, ist auch jetzt die äußerste Kleidung und dient dazu, die braunen wollenen Strümpfe und die hohen Hackenschuhe mit ihren großen silbernen Schnallen glänzender hervortreten zu lassen.

Nachdem die Gäste versammelt sind und unter ihnen der Prediger, der sich vor sämmtlichen Tischen der Diele in einem Lehnsessel niederläßt, wird dieser gebeten um die eheliche Einsegnung, zu welcher der Bräutigam zuerst aus der „großen Kammer[1] erscheint dann aber die Braut,

  1. Die „große Kammer“ ist eine wirkliche Kammer neben der Stube, die mehr zum Gebrauche einer Stube dient, wenn diese besetzt ist, da man sonst in der Stubenwand „Bettschränke“ hat, die zur gewöhnlichen Schlafstelle dienen.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_202.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)