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21 Die Transscendentale Aesthetik. 21

Farbe etc. absondere, so bleibt mir aus dieser empirischen Anschauung noch etwas übrig, nemlich Ausdehnung und Gestalt. Diese gehören zur reinen Anschauung, die a priori, auch ohne einen wirklichen Gegenstand der Sinne oder Empfindung, als eine blosse Form der Sinnlichkeit im Gemüthe statt findet.

 Eine Wissenschaft von allen Principien der Sinnlichkeit a priori nenne ich die transscendentale Aesthetik.[1] Es muß also eine solche Wissenschaft geben, die den ersten Theil der transscendentalen Elementar-Lehre ausmacht, im Gegensatz mit derienigen, welche die Principien des reinen Denkens enthält, und transscendentale Logik genannt wird.

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  1. Die Deutschen sind die einzige, welche sich iezt des Worts Aesthetik bedienen, um dadurch das zu bezeichnen, was andre Critik des Geschmacks heissen. Es liegt hier eine verfehlte Hoffnung zum Grunde, die der vortrefliche Analyst Baumgarten faßte, die critische Beurtheilung des Schönen unter Vernunftprincipien zu bringen, und die Regeln derselben zur Wissenschaft zu erheben. Allein diese Bemühung ist vergeblich. Denn gedachte Regeln, oder Criterien sind ihren Quellen nach blos empirisch, und können also niemals zu Gesetzen a priori dienen, wornach sich unser Geschmacksurtheil richten müßte, vielmehr macht das letztere den eigentlichen Probierstein der Richtigkeit der ersteren aus. Um deswillen ist es rathsam, diese Benennung wiederum eingehen zu lassen, und sie derienigen Lehre aufzubehalten, die wahre Wissenschaft ist, wodurch man auch der Sprache und dem Sinne der Alten näher treten würde, bey denen die Eintheilung der Erkentniß in αἰσθητα και νόητα sehr berühmt war.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 021. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_021.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)