Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 261.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
261 Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe. 261

so gilt es vor ein solches, das im Verstande seinen Ursprung erhalten hat. Nicht alle Urtheile bedürfen einer Untersuchung, d. i. einer Aufmerksamkeit auf die Gründe der Wahrheit; denn, wenn sie unmittelbar gewiß sind: z. B. zwischen zwey Puncten kan nur eine gerade Linie seyn, so läßt sich von ihnen kein noch näheres Merkmal der Wahrheit, als das sie selbst ausdrücken, anzeigen. Aber alle Urtheile, ia alle Vergleichungen bedürfen einer Ueberlegung, d. i. einer Unterscheidung der Erkentnißkraft, wozu die gegebene Begriffe gehören. Die Handlung, dadurch ich die Vergleichung der Vorstellungen überhaupt mit der Erkentnißkraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als gehörig zum reinen Verstande oder zur sinnlichen Anschauung unter einander verglichen werden, nenne ich die transsc. Ueberlegung. Das Verhältniß aber, in welchem die Begriffe in einem Gemüthszustande zu einander gehören können, sind die der Einerleyheit und Verschiedenheit, der Einstimmung und des Widerstreits, des Inneren und des Aeusseren, endlich des bestimbaren und der Bestimmung (Materie und Form). Die richtige Bestimmung dieses Verhältnisses beruhet darauf, in welcher Erkentnißkraft sie subiectiv zu einander gehören, ob in der Sinnlichkeit oder dem Verstande. Denn der Unterschied der letzteren macht einen grossen Unterschied in der Art, wie man sich die ersten denken solle.

.
Vor R 3 Vor
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 261. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_261.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)