312 | Elementarl. II. Th. II. Abth. I. Buch. |
Bey dem grossen Reichthum unserer Sprachen findet sich doch oft der denkende Kopf wegen des Ausdrucks verlegen, der seinem Begriffe genau anpaßt, und in dessen Ermangelung, er weder andern, noch so gar sich selbst recht verständlich werden kan. Neue Wörter zu schmieden, ist eine Anmassung zum Gesetzgeben in Sprachen, die selten gelingt, und, ehe man zu diesem verzweifelten Mittel schreitet, ist es rathsam, sich in einer todten und gelehrten Sprache umzusehen, ob sich daselbst nicht dieser Begriff samt seinem angemessenen Ausdrucke vorfinde, und wenn der alte Gebrauch desselben durch Unbehutsamkeit ihrer Urheber auch etwas schwankend geworden wäre, so ist es doch besser, die Bedeutung, die ihm vorzüglich eigen war, zu bevestigen, (sollte es auch zweifelhaft bleiben, ob man damals genau eben dieselbe im Sinne gehabt habe) als sein Geschäfte nur dadurch zu verderben, daß man sich unverständlich machte.
Um deswillen, wenn sich etwa zu einem gewissen Begriffe, nur ein einziges Wort vorfände, das in schon eingeführter Bedeutung diesem Begriffe genau anpaßt, dessen
Unter- |
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 312. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_312.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)