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340 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. 340

die ihre Schlußsätze auslaufen. In dem Vernunftschlusse der ersten Classe schliesse ich von dem transscendentalen Begriffe des Subiects, der nichts Mannigfaltiges enthält, auf die absolute Einheit dieses Subiects selber, von welchem ich auf diese Weise gar keinen Begriff habe. Diesen dialectischen Schluß werde ich den transscendentalen Paralogismus nennen. Die zweite Classe der vernünftelnden Schlüsse ist auf den transscendentalen Begriff der absoluten Totalität, der Reihe der Bedingungen zu einer gegebenen Erscheinung überhaupt, angelegt und ich schliesse daraus, daß ich von der unbedingten synthetischen Einheit der Reihe auf einer Seite, iederzeit einen sich selbst widersprechenden Begriff habe, auf die Richtigkeit der entgegenstehenden Einheit, wovon ich gleichwol auch keinen Begriff habe. Den Zustand der Vernunft bey diesen dialectischen Schlüssen, werde ich die Antinomie der reinen Vernunft nennen. Endlich schliesse ich, nach der dritten Art vernünftelnder Schlüsse, von der Totalität der Bedingungen, Gegenstände überhaupt, so fern sie mir gegeben werden können, zu denken, auf die absolute synthetische Einheit aller Bedingungen der Möglichkeit der Dinge überhaupt, d. i. von Dingen, die ich nach ihrem blossen transscendentalen Begriff nicht kenne, auf ein Wesen aller Wesen, welches ich durch einen transscendenten Begriff noch weniger kenne und von dessen unbedingter Nothwendigkeit ich mir keinen Begriff machen kann. Diesen dialectischen Vernunftschluß werde ich das Ideal der reinen Vernunft nennen.


Der
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 340. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_340.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)