Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 342.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
342 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. 342

rein er auch vom Empirischen (dem Eindrucke der Sinne) ist, so dient er doch dazu, zweierley Gegenstände aus der Natur unserer Vorstellungskraft zu unterscheiden. Ich, als denkend, bin ein Gegenstand des innern Sinnes und heisse Seele. Dasienige, was ein Gegenstand äusserer Sinne ist, heißt Cörper. Demnach bedeutet der Ausdruck: Ich, als ein denkend Wesen, schon den Gegenstand der Psychologie, welche die rationale Seelenlehre heissen kan, wenn ich von der Seele nichts weiter zu wissen verlange, als was unabhängig von aller Erfahrung (welche mich näher und in concreto bestimt) aus diesem Begriffe Ich, so fern er bey allem Denken vorkomt, geschlossen werden kan.

.

 Die rationale Seelenlehre ist nun wirklich ein Unterfangen von dieser Art, denn wenn das mindeste Empirische meines Denkens, irgend eine besondere Wahrnehmung meines inneren Zustandes, noch unter die Erkentnißgründe dieser Wissenschaft gemischt würde, so wäre sie nicht mehr rationale, sondern empirische Seelenlehre. Wir haben also schon eine angebliche Wissenschaft vor uns, welche auf dem einzigen Satze: Ich denke, erbaut worden und deren Grund oder Ungrund wir hier ganz schicklich, und der Natur einer Transscendentalphilosophie gemäß, untersuchen können. Man darf sich daran nicht stossen: daß ich doch an diesem Satze, der die Wahrnehmung seiner Selbst ausdrükt, eine innere Erfahrung habe, und mithin die rationale Seelenlehre, welche darauf erbauet

wird,
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_342.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)