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353 I. Hauptst. V. d. Paralogismen d. r. Vernunft. 353

Satz: Ein Gedanke kan nur die Wirkung der absoluten Einheit des denkenden Wesens seyn, kan nicht als analytisch behandelt werden. Denn die Einheit des Gedanken, der aus vielen Vorstellungen besteht, ist collectiv und kan sich, den blossen Begriffen nach, eben sowol auf die collective Einheit der daran mitwirkenden Substanzen beziehen, (wie die Bewegung eines Cörpers die zusammengesezte Bewegung aller Theile desselben ist) als auf die absolute Einheit des Subiects. Nach der Regel der Identität kan also die Nothwendigkeit der Voraussetzung einer einfachen Substanz, bey einem zusammengesezten Gedanken, nicht eingesehen werden. Daß aber eben derselbe Satz synthetisch und völlig a priori aus lauter Begriffen erkant werden solle, das wird sich niemand zu verantworten getrauen, der den Grund der Möglichkeit synthetischer Sätze a priori, so wie wir ihn oben dargelegt haben, einsieht.

 Nun ist es aber auch unmöglich, diese nothwendige Einheit des Subiects, als die Bedingung der Möglichkeit eines ieden Gedankens, aus der Erfahrung abzuleiten. Denn diese giebt keine Nothwendigkeit zu erkennen, geschweige, daß der Begriff der absoluten Einheit weit über ihre Sphäre ist. Woher nehmen wir denn diesen Satz, worauf sich der ganze psychologische Vernunftschluß stützet?

 Es ist offenbar: daß, wenn man sich ein denkend Wesen vorstellen will, man sich selbst an seine Stelle setzen, und also dem Obiecte, welches man erwägen wollte, sein eigenes Subiect unterschieben müsse, (welches in keiner

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 353. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_353.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)