Die Antinomie |
Erster Widerstreit |
Die Welt hat einen Anfang in der Zeit und ist dem Raume nach auch in Gränzen eingeschlossen.
Denn man nehme an, die Welt habe der Zeit nach keinen Anfang: so ist bis zu iedem gegebenen Zeitpuncte eine Ewigkeit abgelaufen, und mithin eine unendliche Reihe auf einander folgenden Zustände der Dinge in der Welt verflossen. Nun besteht aber eben darin die Unendlichkeit einer Reihe: daß sie durch successive Synthesis niemals vollendet seyn kan. Also ist eine unendliche verflossene Weltreihe unmöglich, mithin ein Anfang der Welt, eine nothwendige Bedingung ihres Daseyns, welches zuerst zu beweisen war.
In Ansehung des zweiten nehme man wiederum das Gegentheil an: so wird die Welt ein unendliches gegebenes Ganze von zugleich existirenden Dingen seyn. Nun können wir die Grösse eines Quanti, welches nicht innerhalb gewisser Gränzen ieder Anschauung gegeben wird,[1] auf
keine |
- ↑ Wir können ein unbestimtes Quantum als ein Ganzes anschauen, wenn es in Gränzen eingeschlossen ist, ohne die Totalität desselben durch Messung, d. i. die successive [428]
Syn- |
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 426. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_426.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)