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Der Antinomie
vierter Widerstreit
Thesis.

 Zu der Welt gehört etwas, das, entweder als ihr Theil, oder ihre Ursache, ein schlechthin nothwendig Wesen ist.


Beweis.

 Die Sinnenwelt, als das Ganze aller Erscheinungen, enthält zugleich eine Reihe von Veränderungen. Denn, ohne diese, würde selbst die Vorstellung der Zeitreihe, als einer Bedingung der Möglichkeit der Sinnenwelt, uns nicht gegeben seyn[1]. Eine iede Veränderung aber steht unter ihrer Bedingung, die der Zeit nach vorher geht und unter welcher sie nothwendig ist. Nun sezt ein iedes Bedingte, das gegeben ist, in Ansehung seiner Existenz, eine vollständige Reihe von Bedingungen bis zum Schlechthinunbedingten voraus, welches allein absolutnothwendig ist. Also muß etwas Absolutnothwendiges existiren, wenn eine Veränderung als seine Folge existirt. Dieses Nothwendige aber gehöret selber zur Sinnenwelt. Denn setzet, es sey ausser derselben: so würde von ihm die Reihe der Weltveränderungen ihren Anfang ableiten, ohne

daß

  1. Die Zeit geht zwar als formale Bedingung der Möglichkeit der Veränderungen vor dieser obiectiv vorher, allein subiectiv, und in der Wirklichkeit des Bewustseyns, ist diese Vorstellung doch nur, so wie iede andere, durch Veranlassung der Wahrnehmungen gegeben.
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_452.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)