Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 510.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
510 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 510

sie nicht sagen könne, was das Obiect sey, sondern wie der empirische Regressus anzustellen sey, um zu dem vollständigen Begriffe des Obiects zu gelangen. Denn fände das erstere statt, so würde sie ein constitutives Principium seyn, dergleichen aus reiner Vernunft niemals möglich ist. Man kan also damit keinesweges die Absicht haben, zu sagen: die Reihe der Bedingungen zu einem gegebenen Bedingten sey an sich endlich, oder unendlich; denn dadurch würde eine blosse Idee der absoluten Totalität, die lediglich in ihr selbst geschaffen ist, einen Gegenstand denken, der in keiner Erfahrung gegeben werden kan, indem einer Reihe von Erscheinungen eine, von der empirischen Synthesis unabhängige, obiective Realität ertheilet würde. Die Vernunftidee wird also nur der regressiven Synthesis in der Reihe der Bedingungen eine Regel vorschreiben, nach welcher sie vom Bedingten, vermittelst aller einander untergeordneten Bedingungen, zum Unbedingten fortgeht, obgleich dieses niemals erreicht wird. Denn das Schlechthinunbedingte wird in der Erfahrung gar nicht angetroffen.

.

 Zu diesem Ende ist nun erstlich die Synthesis einer Reihe, so fern sie niemals vollständig ist, genau zu bestimmen. Man bedient sich in dieser Absicht gewöhnlich zweer Ausdrücke, die darin etwas unterscheiden sollen, ohne daß man doch den Grund dieser Unterscheidung recht anzugeben weiß. Die Mathematiker sprechen lediglich von einem Progressus in infinitum. Die Forscher der Begriffe

(Philo-
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 510. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_510.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)