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541 IX. Absch. Vom empir. Gebrauche des regul. etc. 541

 Nach dem intelligibelen Character desselben aber (ob wir zwar davon nichts als blos den allgemeinen Begriff desselben haben können) würde dasselbe Subiect dennoch von allem Einflusse der Sinnlichkeit und Bestimmung durch Erscheinungen frey gesprochen werden müssen, und, da in ihm, so fern es Noumenon ist, nichts geschieht, keine Veränderung, welche dynamische Zeitbestimmung erheischt, mithin keine Verknüpfung mit Erscheinungen als Ursachen angetroffen wird, so würde dieses thätige Wesen, so fern in seinen Handlungen von aller Naturnothwendigkeit, als die lediglich in der Sinnenwelt angetroffen wird, unabhängig und frey seyn. Man würde von ihm ganz richtig sagen: daß es seine Wirkungen in der Sinnenwelt von selbst anfange, ohne daß die Handlung in ihm selbst anfängt und dieses würde gültig seyn, ohne daß die Wirkungen in der Sinnenwelt darum von selbst anfangen dürfen, weil sie in derselben iederzeit durch empirische Bedingungen in der vorigen Zeit, aber doch nur vermittelst des empirischen Characters (der blos die Erscheinung des intelligibelen ist) vorher bestimt seyn, und nur als eine Fortsetzung der Reihe der Naturursachen möglich sind. So würde denn Freiheit und Natur, iedes in seiner vollständigen Bedeutung, bey eben denselben Handlungen, nachdem man sie mit ihrer intelligibelen, oder sensibelen Ursache vergleicht, zugleich und ohne allen Widerstreit angetroffen werden.


Erläu-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_541.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)