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548 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. II. Hauptst. 548

Grund iederzeit eine Erscheinung seyn muß. Nun muß die Handlung allerdings unter Naturbedingungen möglich seyn, wenn auf sie das Sollen gerichtet ist; aber diese Naturbedingungen betreffen nicht die Bestimmung der Willkühr selbst, sondern nur die Wirkung und den Erfolg derselben in der Erscheinung. Es mögen noch so viel Naturgründe seyn, die mich zum Wollen antreiben, noch so viel sinnliche Anreitze, so können sie nicht das Sollen hervorbringen; sondern nur ein noch lange nicht nothwendiges, sondern iederzeit bedingtes Wollen, dem dagegen das Sollen, das die Vernunft ausspricht, Maas und Ziel, ia Verbot und Ansehen entgegen sezt. Es mag ein Gegenstand der blossen Sinnlichkeit (das Angenehme) oder auch der reinen Vernunft (das Gute) seyn: so giebt die Vernunft nicht demienigen Grunde, der empirisch gegeben ist, nach, und folgt nicht der Ordnung der Dinge, so wie sie sich in der Erscheinung darstellen, sondern macht sich mit völliger Spontaneität eine eigene Ordnung nach Ideen, in die sie die empirische Bedingungen hinein paßt, und nach denen sie so gar Handlungen vor nothwendig erklärt, die doch nicht geschehen sind und vielleicht nicht geschehen werden, von allen aber gleichwol voraussezt, daß die Vernunft in Beziehung auf sie Caussalität haben könne; denn, ohne das, würde sie nicht von ihren Ideen Wirkungen in der Erfahrung erwarten.

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 Nun laßt uns hiebey stehen bleiben und es wenigstens als Möglich annehmen: die Vernunft habe wirklich

Caus-
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_548.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)