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594 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 594

Prädicats im Urtheile. Der vorige Satz sagte nicht: daß drey Winkel schlechterdings nothwendig seyn, sondern, unter der Bedingung, daß ein Triangel da ist, (gegeben ist) sind auch drey Winkel (in ihm) nothwendiger Weise da. Gleichwol hat diese logische Nothwendigkeit eine so grosse Macht ihrer Illusion bewiesen: daß, indem man sich einen Begriff a priori von einem Dinge gemacht hatte, der so gestellet war, daß man seiner Meinung nach das Daseyn mit in seinen Umfang begriff, man daraus glaubete sicher schliessen zu können, daß, weil dem Obiect dieses Begriffs das Daseyn nothwendig zukomt, d. i. unter der Bedingung, daß ich dieses Ding als gegeben (existirend) setze, auch sein Daseyn nothwendig (nach der Regel der Identität) gesezt werde und dieses Wesen daher selbst schlechterdingsnothwendig sey, weil sein Daseyn in einem nach Belieben angenommenen Begriffe und unter der Bedingung, daß ich den Gegenstand desselben setze, mit gedacht wird.

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 Wenn ich das Prädicat in einem identischen Urtheile aufhebe und behalte das Subiect, so entspringt ein Widerspruch und daher sage ich: ienes komt diesem nothwendiger Weise zu. Hebe ich aber das Subiect zusamt dem Prädicate auf, so entspringt kein Widerspruch; denn es ist nichts mehr, welchem widersprochen werden könte. Einen Triangel setzen und doch die drey Winkel desselben aufheben, ist widersprechend, aber den Triangel samt seinen drey Winkeln aufheben, ist kein Widerspruch. Gerade eben so ist es mit dem Begriffe eines absolutnothwendigen

Wesens
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_594.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)