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632 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 632

Nothwendigkeit seiner Natur, oder durch Freiheit, bleibt unentschieden), diesen einen Welturheber vor.

 Die transscendentale Theologie ist entweder dieienige, welche das Daseyn des Urwesens von einer Erfahrung überhaupt (ohne über die Welt, wozu sie gehöret, etwas näher zu bestimmen), abzuleiten gedenkt und heißt Cosmotheologie, oder glaubt durch blosse Begriffe, ohne Beihülfe der mindesten Erfahrung, sein Daseyn zu erkennen und wird Ontotheologie genant.

 Die natürliche Theologie schließt auf die Eigenschaften und das Daseyn eines Welturhebers, aus der Beschaffenheit, der Ordnung und Einheit, die in dieser Welt angetroffen wird, in welcher zweierley Caussalität und deren Regel angenommen werden muß, nemlich Natur und Freiheit. Daher steigt sie von dieser Welt zur höchsten Intelligenz auf, entweder als dem Princip aller natürlichen, oder aller sittlichen Ordnung und Vollkommenheit. Im ersteren Falle heißt sie Physicotheologie, im lezten Moraltheologie[1].

 Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa blos eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, sondern ein höchstes Wesen, das durch Verstand

und

  1. Nicht theologische Moral; denn die enthält sittliche Gesetze, welche das Daseyn eines höchsten Weltregierers voraussetzen, dahingegen die Moraltheologie eine Ueberzeugung vom Daseyn eines höchsten Wesens ist, welche auf sittliche Gesetze gegründet ist.
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 632. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_632.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)