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649 VII. Absch. Critik aller speculativen Theologie. 649

dem menschlichen Gemüthe die Empfindung, Bewustseyn, Einbildung, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, Lust, Begierde u. s. w. Anfänglich gebietet eine logische Maxime diese anscheinende Verschiedenheit so viel als möglich dadurch zu verringern, daß man durch Vergleichung die versteckte Identität entdecke und nachsehe, ob nicht Einbildung, mit Bewustseyn verbunden, Erinnerung, Witz, Unterscheidungskraft, vielleicht gar Verstand und Vernunft sey. Die Idee einer Grundkraft, von welcher aber die Logik gar nicht ausmittelt, ob es dergleichen gebe, ist wenigstens das Problem einer systematischen Vorstellung der Mannigfaltigkeit von Kräften. Das logische Vernunftprincip erfodert diese Einheit, so weit als möglich zu Stande zu bringen und, ie mehr die Erscheinungen der einen und anderen Kraft unter sich identisch gefunden werden, desto wahrscheinlicher wird es, daß sie nichts, als verschiedene Aeusserungen einer und derselben Kraft seyn, welche (comparativ) ihre Grundkraft heissen kan. Eben so verfährt man mit den übrigen.

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 Die comparativen Grundkräfte müssen wiederum unter einander verglichen werden, um sie dadurch, daß man ihre Einhelligkeit entdeckt, einer einzigen radicalen, d. i. absoluten Grundkraft nahe zu bringen. Diese Vernunfteinheit aber ist blos hypothetisch. Man behauptet nicht, daß eine solche in der That angetroffen werden müsse, sondern, daß man sie zu Gunsten der Vernunft, nemlich zu Errichtung gewisser Principien, vor die mancherley Regeln,

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 649. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_649.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)