Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 690.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
690 Elementarl. II. Th. II. Abth. II. Buch. III. Hauptst. 690

schlechthin vollendet ansieht und die Vernunft sich also zur Ruhe begiebt, als ob sie ihr Geschäfte völlig ausgerichtet habe. Daher selbst die psychologische Idee, wenn sie als ein constitutives Princip vor die Erklärung der Erscheinungen unserer Seele, und hernach gar, zur Erweiterung unserer Erkentniß dieses Subiects, noch über alle Erfahrung hinaus (ihren Zustand nach dem Tode) gebraucht wird, es der Vernunft zwar sehr bequem macht, aber auch allen Naturgebrauch derselben nach der Leitung der Erfahrungen ganz verdirbt und zu Grunde richtet. So erklärt der dogmatische Spiritualist die durch allen Wechsel der Zustände unverändert bestehende Einheit der Person aus der Einheit der denkenden Substanz, die er in dem Ich unmittelbar wahrzunehmen glaubt, das Interesse, was wir an Dingen nehmen, die sich allererst nach unserem Tode zutragen sollen, aus dem Bewustseyn der immateriellen Natur unseres denkenden Subiects etc. und überhebt sich aller Naturuntersuchung der Ursache dieser unserer inneren Erscheinungen aus physischen Erklärungsgründen, indem er gleichsam durch den Machtspruch einer transscendenten Vernunft die immanente Erkentnißquellen der Erfahrung, zum Behuf seiner Gemächlichkeit, aber mit Einbusse aller Einsicht, vorbey geht. Noch deutlicher fällt diese nachtheilige Folge bey dem Dogmatism unserer Idee von einer höchsten Intelligenz und dem darauf fälschlich gegründeten theologischen System der Natur (Physicotheologie)

theo-
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 690. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_690.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)