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744 Methodenlehre I. Hauptst. II. Absch. 744

nur vergönnet ist, sie in einer undeutlichen und von uns selbst bezweifelten Wahrnehmung anzutreffen, dadurch ausspähende Blicke mehr gereizt, als befriedigt werden. Ob es nützlich sey, in Ansehung solcher Aussichten dreuste Bestimmungen zu wagen, ist wenigstens zweifelhaft, vielleicht gar schädlich. Allemal aber und ohne allen Zweifel ist es nützlich, die forschende sowol, als prüfende Vernunft in völlige Freiheit zu versetzen, damit sie ungehindert ihr eigen Interesse besorgen könne, welches eben so wol dadurch befördert wird, dadurch, daß sie ihren Einsichten Schranken sezt, als daß sie solche erweitert und welches allemal leidet, wenn sich fremde Hände einmengen, um sie wider ihren natürlichen Gang nach erzwungenen Absichten zu lenken.

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 Lasset demnach euren Gegner nur Vernunft sagen und bekämpfet ihn blos mit Waffen der Vernunft. Uebrigens seyd wegen der guten Sache (des practischen Interesse) ausser Sorgen, denn die komt im blos speculativen Streite niemals mit ins Spiel. Der Streit entdeckt alsdenn nichts, als eine gewisse Antinomie der Vernunft, die, da sie auf ihrer Natur beruhet, nothwendig angehört und geprüft werden muß. Er cultivirt dieselbe durch Betrachtung ihres Gegenstandes auf zweien Seiten und berichtigt ihr Urtheil dadurch, daß er solches einschränkt. Das, was hiebey strittig wird, ist nicht die Sache, sondern der Ton. Denn es bleibt euch noch genug übrig, um die vor der schärfsten Vernunft gerechtfertigte Sprache eines festen

Glau-
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 744. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_744.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)