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751 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 751

Vernunft: daß, da sie über die Bedingungen aller möglichen Erfahrung hinausgehen, ausserhalb welchen kein Document der Wahrheit irgendwo angetroffen wird, sich aber gleichwol der Verstandesgesetze, die blos zum empirischen Gebrauch bestimt sind, ohne die sich aber kein Schritt im synthetischen Denken thun läßt, bedienen müssen, sie dem Gegner iederzeit Blössen geben und sich gegenseitig die Blösse ihres Gegners zu Nutzen machen können.

 Man kan die Critik der reinen Vernunft als den wahren Gerichtshof vor alle Streitigkeiten derselben ansehen; denn sie ist in die leztere, als welche auf Obiecte unmittelbar gehen, nicht mit verwickelt, sondern ist dazu gesezt, die Rechtsame der Vernunft überhaupt nach den Grundsätzen ihrer ersten Institution zu bestimmen und zu beurtheilen.

 Ohne dieselbe ist die Vernunft gleichsam im Stande der Natur und kan ihre Behauptungen und Ansprüche nicht anders geltend machen, oder sichern, als durch Krieg. Die Critik dagegen, welche alle Entscheidungen aus den Grundregeln ihrer eigenen Einsetzung hernimt, deren Ansehen keiner bezweifeln kan, verschaft uns die Ruhe eines gesezlichen Zustandes, in welchem wir unsere Streitigkeit nicht anders führen sollen, als durch Proceß. Was die Händel in dem ersten Zustande endigt, ist ein Sieg, dessen sich beide Theile rühmen, auf den mehrentheils ein nur unsicherer Friede folgt, den die Obrigkeit stiftet, welche sich

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_751.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)