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761 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 761

führe. Allein dies ist nur der zweite Schritt, der noch lange nicht das Werk vollendet. Der erste Schritt in Sachen der reinen Vernunft, der das Kindesalter derselben auszeichnet, ist dogmatisch. Der eben genannte zweite Schritt ist sceptisch und zeugt von Vorsichtigkeit, der durch Erfahrung gewitzigten Urtheilskraft. Nun ist aber noch ein dritter Schritt nöthig, der nur der gereiften und männiglichen Urtheilskraft, welche feste und ihrer Allgemeinheit nach bewährte Maximen zum Grunde hat, nemlich nicht die Facta der Vernunft, sondern die Vernunft selbst, nach ihrem ganzen Vermögen und Tauglichkeit zu reinen Erkentnissen a priori, der Schätzung zu unterwerfen, welches nicht die Censur, sondern Critik der Vernunft ist, wodurch nicht blos Schranken, sondern die bestimte Gränzen derselben, nicht blos Unwissenheit an einem oder anderen Theil, sondern in Ansehung aller möglichen Fragen von einer gewissen Art und zwar nicht etwa nur vermuthet, sondern aus Principien bewiesen wird. So ist der Scepticism ein Ruheplatz vor die menschliche Vernunft, da sie sich über ihre dogmatische Wanderung besinnen und den Entwurf von der Gegend machen kan, wo sie sich befindet, um ihren Weg fernerhin mit mehrerer Sicherheit wählen zu können, aber nicht ein Wohnplatz zum beständigen Aufenthalte; denn dieser kan nur in einer völligen Gewißheit angetroffen werden, es sey nun der Erkentniß der Gegenstände selbst, oder der Gränzen, innerhalb denen

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 761. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_761.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)