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765 Die Disciplin der reinen Vernunft im polem. etc. 765

unser Erkentniß erweitern zu können. Dieses versuchen wir entweder durch den reinen Verstand, in Ansehung desienigen, was wenigstens ein Obiect der Erfahrung seyn kan, oder sogar durch reine Vernunft, in Ansehung solcher Eigenschaften der Dinge, oder auch wol des Daseyns solcher Gegenstände, die in der Erfahrung niemals vorkommen können. Unser Sceptiker unterschied diese beide Arten der Urtheile nicht, wie er es doch hätte thun sollen und hielt geradezu diese Vermehrung der Begriffe aus sich selbst und, so zu sagen, die Selbstgebährung unseres Verstandes (samt der Vernunft), ohne durch Erfahrung geschwängert zu seyn, vor unmöglich, mithin alle vermeintliche Principien derselben a priori vor eingebildet, und fand, daß sie nichts als eine, aus Erfahrung und deren Gesetzen entspringende Gewohnheit, mithin blos empirische, d. i. an sich zufällige Regeln seyn, denen wir eine vermeinte Nothwendigkeit und Allgemeinheit beimessen. Er bezog sich aber zu Behauptung dieses befremdlichen Satzes auf den allgemein anerkanten Grundsatz, von dem Verhältniß der Ursache zur Wirkung. Denn da uns kein Verstandesvermögen von dem Begriffe eines Dinges zu dem Daseyn von etwas anderem, was dadurch allgemein und nothwendig gegeben sey, führen kan: so glaubte er daraus folgern zu können, daß wir ohne Erfahrung nichts haben, was unsern Begriff vermehren und uns zu einem solchen a priori sich selbst erweiternden Urtheile berechtigen könte. Daß das Sonnenlicht, welches das Wachs beleuchtet, es

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_765.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)