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786 Methodenlehre I. Hauptst. IV. Absch. 786

die nicht aus Begriffen entwickelt und auch nicht in Beziehung auf mögliche Erfahrung anticipirt werden können, denn hernehmen wolle: so kan man sich viel schwere und dennoch fruchtlose Bemühungen ersparen, indem man der Vernunft nichts zumuthet, was offenbar über ihr Vermögen geht, oder vielmehr sie, die, bey Anwandlungen ihrer speculativen Erweiterungssucht, sich nicht gerne einschränken läßt, der Disciplin der Enthaltsamkeit unterwirft.

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 Die erste Regel ist also diese: keine transscendentale Beweise zu versuchen, ohne zuvor überlegt und sich desfals gerechtfertigt zu haben, woher man die Grundsätze nehmen wolle, auf welche man sie zu errichten gedenkt und mit welchem Rechte man von ihnen den guten Erfolg der Schlüsse erwarten könne. Sind es Grundsätze des Verstandes (z. B. der Caussalität), so ist es umsonst, vermittelst ihrer, zu Ideen der reinen Vernunft zu gelangen; denn iene gelten nur vor Gegenstände möglicher Erfahrung. Sollen es Grundsätze aus reiner Vernunft seyn, so ist wiederum alle Mühe umsonst. Denn die Vernunft hat deren zwar, aber als obiective Grundsätze sind sie insgesamt dialectisch und können allenfals nur wie regulative Principien des systematischzusammenhangenden Erfahrungsgebrauchs gültig seyn. Sind aber dergleichen angebliche Beweise schon vorhanden: so setzet der trüglichen Ueberzeugung das non liquet eurer gereiften Urtheilskraft entgegen

gegen
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 786. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_786.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)