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813 Vom Ideal des höchsten Guts. 813

Leben, bestimt. Ohne also einen Gott und eine vor uns iezt nicht sichtbare, aber gehoffte Welt, sind die herrliche Ideen der Sittlichkeit zwar Gegenstände des Beifalls und der Bewunderung, aber nicht Triebfedern des Vorsatzes und der Ausübung, weil sie nicht den ganzen Zweck, der einem ieden vernünftigen Wesen natürlich und durch eben dieselbe reine Vernunft a priori bestimt und nothwendig ist, erfüllen.

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 Glückseligkeit allein ist vor unsere Vernunft bey weitem nicht das vollständige Gut. Sie billigt solche nicht, (so sehr als auch Neigung dieselbe wünschen mag) wofern sie nicht mit der Würdigkeit, glücklich zu seyn, d. i. dem sittlichen Wolverhalten vereinigt ist. Sittlichkeit allein und, mit ihr, die blosse Würdigkeit, glücklich zu seyn, ist aber auch noch lange nicht das vollständige Gut. Um dieses zu vollenden, muß der, so sich als der Glückseligkeit nicht unwerth verhalten hatte, hoffen können, ihrer theilhaftig zu werden. Selbst die von aller Privatabsicht freie Vernunft, wenn sie, ohne dabey ein eigenes Interesse in Betracht zu ziehen, sich in die Stelle eines Wesens sezte, das alle Glückseligkeit andern auszutheilen hätte, kan nicht anders urtheilen; denn in der practischen Idee sind beide Stücke wesentlich verbunden, obzwar so, daß die moralische Gesinnung, als Bedingung, den Antheil an Glückseligkeit und nicht umgekehrt, die Aussicht auf Glückseligkeit die moralische Gesinnung zuerst möglich mache. Denn im lezteren Falle wäre sie nicht moralisch und also

auch
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 813. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_813.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)