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820 Methodenlehre II. Hauptst. III. Absch. 820
Des
Canons der reinen Vernunft
Dritter Abschnitt.
Vom Meinen, Wissen und Glauben.

Das Vorwahrhalten ist eine Begebenheit in unserem Verstande, die auf obiectiven Gründen beruhen mag, aber auch subiective Ursachen im Gemüthe dessen, der da urtheilt, erfodert. Wenn es vor iederman gültig ist, so fern er nur Vernunft hat, so ist der Grund desselben obiectiv hinreichend und das Vorwahrhalten heißt alsdenn Ueberzeugung. Hat es nur in der besonderen Beschaffenheit des Subiect seinen Grund, so wird es Ueberredung genant.

 Ueberredung ist ein blosser Schein, weil der Grund des Urtheils, welcher lediglich im Subiecte liegt, vor obiectiv gehalten wird. Daher hat ein solches Urtheil auch nur Privatgültigkeit und das Vorwahrhalten läßt sich nicht mittheilen. Wahrheit aber beruht auf der Uebereinstimmung mit dem Obiecte, in Ansehung dessen folglich die Urtheile eines ieden Verstandes einstimmig seyn müssen (consentientia uni tertio consentiunt inter se). Der Probierstein des Vorwahrhaltens, ob es Ueberzeugung oder blosse Ueberredung sey, ist also, äusserlich, die Möglichkeit, dasselbe mitzutheilen und das Vorwahrhalten vor iedes Menschen Vernunft gültig zu befinden; denn alsdenn ist wenigstens eine Vermuthung, der Grund der Einstimmung

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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 820. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_820.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)