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828 Methodenlehre II. Hauptst. III. Absch. 828

ob man zwar unausbleiblich dazu immer wiederum zurückkehrt.

 Ganz anders ist es mit dem moralischen Glauben bewandt. Denn da ist es schlechterdings nothwendig: daß etwas geschehen muß, nemlich, daß ich dem sittlichen Gesetze in allen Stücken Folge leiste. Der Zweck ist hier unumgänglich festgestellt und es ist nur eine einzige Bedingung nach aller meiner Einsicht möglich, unter welcher dieser Zweck mit allen gesamten Zwecken zusammenhängt und dadurch practische Gültigkeit habe, nemlich, daß ein Gott und eine künftige Welt sey: ich weis auch ganz gewiß, daß niemand andere Bedingungen kenne, die auf dieselbe Einheit der Zwecke unter dem moralischen Gesetze führe. Da aber also die sittliche Vorschrift zugleich meine Maxime ist (wie denn die Vernunft gebietet, daß sie es seyn soll), so werde ich unausbleiblich ein Daseyn Gottes und ein künftiges Leben glauben und bin sicher: daß diesen Glauben nichts wanckend machen könne, weil dadurch meine sittliche Grundsätze selbst umgestürzt werden würden, denen ich nicht entsagen kan, ohne in meinen eigenen Augen verabscheuungswürdig zu seyn.

 Auf solche Weise bleibt uns nach Vereitelung aller ehrsüchtigen Absichten einer, über die Gränzen aller Erfahrung hinaus, herumschweifenden Vernunft noch genug übrig: daß wir damit in practischer Absicht zufrieden zu seyn Ursache haben. Zwar wird freilich sich niemand rühmen können: er wisse, daß ein Gott und daß ein künftig

Leben
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 828. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_828.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)