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ihn im Laden auf. Die Gassenjungen von weit und breit machten jetzt dort ihre kreuzerweisen Einkäufe und erkundigten sich dabei wohl mit ernster Miene, ob in den Kuchen nicht etwa Katzenhaare wären und was dergleichen Scherze mehr waren. Unter diesen Stichelreden, die dem Stadtklatsch willkommene Nahrung boten, litt der gute Anastasius sehr; der Ärger darüber verdarb ihm die Freude an seinem Gewerbe, und so kam es, daß sein Geschäft mehr und immer mehr zurückging.

Anastasius nützte die unfreiwillige Muße, um die hinterlassenen Papiere und Schriften seines Onkels durchzusehen. Dabei kam ihm eines Tages ein vergilbtes Stück Papier in die Hände, darauf stand in altertümlichen Schnörkelzügen eine Beschreibung der Stadt geschrieben. Und ganz zum Schluß stand der Satz: „Wenn der Vollmondschatten des Domturmes zur Stunde, da es gerade Mitternacht schlägt, bis in den Wassertrog des Brunnens am Marktplatz reicht, dann schwimmt dort der goldene Krebs, der sonst auf dem tiefsten Grund des Rosenberger Teiches haust. Wer diesen Augenblick nützt, dem kann die hohe Kunst der Zauberei offenbar werden. Nur muß er sich einen Stab aus dreierlei Holz machen lassen, aus Eichen-, Eschen- und Lindenholz, den muß er dem goldenen Krebs hinhalten, daß der seine Scheren hineinzwickt. Wenn er ihn dann wieder herausnimmt, ist es ein Zauberstab, mit dem er alle Wunder verrichten kann.“

Anastasius hüpfte vor Freude. Nun waren alle Sorgen zu Ende. Nacht für Nacht war er ja, wenn schon alles schlief, auf und ab über den Marktplatz gegangen, um seine schlaflose Unrast zu beruhigen. Denn bei Tage wollte er nicht ausgehen, um ja keinem Menschen zu begegnen. Und darum wußte er, daß der Schatten des Domturmes dem Brunnentrog immer näher kam, gerade zur Stunde, wenn es Mitternacht schlug. Und in drei Tagen war Vollmond. Rasch ließ er sich in aller Heimlichkeit einen Stab machen, wie er im Buche beschrieben war; und als er ihn wirklich in Händen hielt, konnte er den großen Augenblick kaum erwarten.

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Slawitschek: Anastasius Katzenschlucker, der große Zauberer. Vlg. des Deutschen Kulturverbandes, 1929, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Katzenschlucker.djvu/8&oldid=- (Version vom 21.5.2018)