Seite:Keyserling Wellen.pdf/65

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um zum Strande hinabzusehen, wo Lolo und Nini auf- und abgingen und sich abkühlten, bevor sie in das Wasser gingen. In den roten Badeanzügen, weiße Stoffkappen auf dem Kopf, sahen sie wie sehr schlanke Knaben aus und sie gingen ganz aufrecht, die Beine ihrer Freiheit ungewohnt ein wenig befangen und steif bewegend.

„Sagen Sie, Malwine,“ fragte die Generalin, „sahen wir in unserer Jugend auch so aus, wenn wir badeten?“

Fräulein Bork kniff das eine Auge zu und lächelte gefühlvoll: „Ach, das ist so hübsch,“ meinte sie, „wie kleine rote Silhouetten auf einem grünen Lampenschirm sehen sie aus.“

„Ja, o ja,“ versetzte die Generalin, „daß das, was wir in unserer Jugend Hüften nannten, immer mehr abkommt!“

Jetzt gingen die Mädchen in das Wasser, vorsichtig wateten sie durch die Brandungswellen, verschwanden zuweilen ganz im weißen Schaum und warfen sich endlich auf das Wasser, um zu schwimmen, zwei rote Striche, in dem weißlichen Grün, das heute die Farbe des Meeres war. Sie waren gute Schwimmerinnen, aber Lolo überholte Nini weit, wunderbar leicht und schnell schoß sie vorwärts, geradeaus, als habe sie ein Ziel.

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/65&oldid=- (Version vom 1.8.2018)