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Ist Opitz als Privatdozent, Gottsched als außerordentlicher Professor der deutschen Literatur anzusprechen, so darf man Gotthold Ephraim Lessing (geboren zu Kamenz, 1729) den Titel eines ordentlichen Professors und vortragenden Rates mit dem Prädikat Exzellenz nicht vorenthalten. Er ist nicht so langweilig, wie die, die sich bei ihm langweilen. Aber er ist auch nicht der beschwingte Genius und Fackelträger, zu dem man ihn hat empordichten wollen. Ernst, behutsam und bedächtig suchte er mit seiner Laterne das Dunkel der deutschen Dichtung zu erhellen, und es gelang ihm, über viele dämmerige und nachtschwarze Stellen Licht und Erkenntnis zu verbreiten. Das besorgte er besonders mit seinen „Briefen, die neueste Literatur betreffend“. Da rief er Shakespeare, den Zauberer aus dem Wunderland der Wirklichkeit, zum Zeugen auf gegen Gottscheds Schablonenidealität. Da hob er den Mythos von Faust ans Licht, entdeckte entzückt das deutsche Volkslied und einen verschollenen Poeten wie Friedr. Logau. Die Schrift Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie hat zu seiner Zeit ungleich alarmierender gewirkt als heute in den Primen der Gymnasien. Die klare Unterscheidung von den Möglichkeiten, von Harmonie und Differenz zwischen Malerei und Poesie tat dazumal bitter not. Denn die sogenannte beschreibende und malende Poesie, von Opitz einst eingeführt, von Haller, Matthisson und vielen minderen fortgeführt, drohte in ihren Auswüchsen die gerade nur erst hügeligen Ansätze völlig zu verflachen. Indem er die Plastik als räumlich, die Dichtung als zeitlich (nicht im historischen Sinne) bedingt definierte, eröffnete er auch Perspektiven auf Raum und Zeit, auf Traum und Ewigkeit schlechthin. Er rief den Dichtern zu: Nicht rasten! Nicht ruhen! Ruhe, Beharrung ist das Zeichen der bildenden Kunst. Ihr müßt, berlinisch gesprochen, Leben in die Bude bringen. En avant! Vorwärts! Attacke! Professor Lessing gerät hier in Feuer. Auch in der „Hamburgischen Dramaturgie“ zeigt

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_033.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)