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Emotionen auspuffen, die er anderswo nicht ungestraft entladen dürfte. Solche Menschen finden wir gewöhnlich sonst nur als Erzieher in den Mädchenstiften; von Dippold bis zu den peitschenden Fürsorgeerziehern ist uns die Sorte wohl bekannt. Der Medizinalsadist der Landwehr außer Diensten bringt zum Belege Kriegslieder, die von Haß triefen, und er ist der festen Überzeugung, der habe den Erfolg für sich, der am meisten Haß aufzuweisen hätte. „Jener herrliche, niederrasende Haß ist der Beginn, die Hauptsache, der echte und erste Götterfunke. Wir heutigen Deutschen müßten wahrhaftig ganz von Gott verlassen sein, wenn wir aus alledem nicht die Nutzanwendung zögen!“ Die ganze Innenpolitik paßt dem Landwehrsadisten nicht, das ist ihm alles zu weich und zu läppisch: „Erziehung zum Haß! Erziehung zur Liebe zum Haß! Organisation des Hasses! Fort mit der unreifen Scheu, mit der falschen Scham vor Brutalität und Fanatismus! Auch politisch gelte das Wort: Mehr Backpfeifen, weniger Küsse!“

In einem Verzeichnis der in der Zeit von 1903-1913 in Preußen verbotenen Bücher finde ich auch zwei, deren Lektüre dem Medizinalrat bestens empfohlen sei: „Rombach, Kurt. Meine grausame, süße Reitpeitsche. Preßburg, Hermann Hartleb“ – und: „Das Tagebuch einer Masseuse. Deutsch von Klara M. Budapest, Grimm.“ Sagte ich Lektüre? Aber er soll selbst solche Bücher schreiben und nicht Patriotismus nennen, was eine krankhafte Gemütsart ist!

Wir alle wissen, daß ein gesunder Haß keine Schande ist, aber wir alle wissen auch, daß es das Streben jeder Zivilisation ist, tierische Instinkte im Interesse der Allgemeinheit möglichst einzudämmen. Ob das ganz und gar möglich sein wird, steht in Frage, aber versuchen soll man es doch. Auch daß einmal ein ganzes Volk in berechtigtem Haß gegen ein

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_131.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)