Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 250.jpg

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Referendar gerufen. Er möchte Wein haben. Es ist graudunkel.

Sie steht bei ihm und beugt sich über ihn; man weiß nicht, ob es zärtlich ist oder nur so aussieht. Sagen wir: zärtlich. Wo sind Karlchen und Jakopp? Hoffentlich ertrunken. Schwer war der Mosel. Ich muß wohl etwas eingedruselt sein. Ich sehe auf die Rabenuhr. Es ist genau 5 Uhr 13.

Will einmal sehen, wo die beiden andern sind … Richtig ja: bezahlen. „Fräulein Marietta!“ – Sie kommt, sie lächelt, und ich sehe sie an. Ihr Profil ist schön wie eine jener Gemmen, gefunden in den alten Siedlungen der kaiserlich-römischen Legion.



Ein Glas klingt

Zu seinen zahllosen Albernheiten und schlechten Angewohnheiten, die einen so nervös machen können … schließlich etwas Rücksicht kann ja ein Mann auf seine Frau wohl nehmen, finde ich … also ich finde das wenigstens … zu seinen dummen Angewohnheiten gehört die, eine Tischklingel oder ein Glas, das er angestoßen hat, ruhig ausklingen zu lassen! Man legt doch die Hand darauf – Mama hat das auch immer getan. Wenn etwas bei Tisch klingt, dann legt man die Hand darauf, gleich, sofort – und dann ist es still. Er läßt die Gläser ausklingen … Rasend kann einen das machen! So, wie er morgens immer beim Rasieren so albern mit dem Pinsel klappert, also jeden Morgen, den Gott werden läßt, so stößt er mit seinen ungeschickten dicken Händen mal an die Klingel, mal an sein Glas; bing, macht das dann, diiiiing – ganz lange. So ein hoher, giftiger Ton, als ob einen was auslacht. „Leg doch die Hand darauf!“ sage ich.

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_250.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)