Seite:Lerne lachen ohne zu weinen 355.jpg

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Viel Rauch um diesen Brenner. Schade um die reine Flamme.

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Man stelle sich vor, Friedrich Nietzsche wäre gestorben, ohne Angehörige zu hinterlassen. Und man stelle sich vor, Freunde hätten sein Werk in Obhut genommen. Und es käme nun eine Frau gegangen, eine Frau Foerster, Lieschen Förster, die sagte: „Ich möchte das Nietzsche-Archiv verwalten. Und die Einleitung zu seinen Werken will ich auch schreiben!“ – Was hätten die Freunde gesagt? Nichts hätten sie gesagt. Man hätte die Achseln gezuckt und geschwiegen: eine arme Person …

Nun aber ist Lieschen die Schwester. Und nun darf sie. Sie darf die Werke Nietzsches einleiten, sie darf den Nachlaß Nietzsches, seine Briefe und seine Zettel verwalten, und sie verwaltet sie so, wie wir wissen. Genutzt hat es ihr nichts. Nietzsche, nicht das Brüderchen, der wahre Nietzsche ist, hauptsächlich durch Andler, bekannt geworden – trotz dieses Archivs.

Aber ist ein solches Urheberrecht nicht eine Schande, ein Recht, das geistige Werke wie alte Socken vererbt? Es ist eine Schande.

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Wenn ich das schön gedruckte Buch eines mit Buchweizengrütze gefütterten Philosophen aus Amerika lese, hinter seinen Brillengläsern blitzen fröhlich die jungenhaften Augen, die sich so optimistisch mit dem Elend der andern abfinden, alles ist gut und schön, wir haben eine gute Predigt gehabt, Breakfast auch, ja danke, auf welch unbefleckten Wege wohl so ein Wesen zur Welt gekommen sein mag, die Amerikanerinnen sind doch unterhalb des Nabels alle aus Celloloid –

wenn ich so einen fröhlichen Professor lese: dann weiß

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Kurt Tucholsky: Lerne lachen ohne zu weinen. Ernst Rowohlt, Berlin 1932, Seite 355. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lerne_lachen_ohne_zu_weinen_355.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)