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zu hören. Aber es kam ihm so vor, als ob auch die Löwen „Lott ist tot“ brüllten, und so blieb ihm, um nicht irrsinnig zu werden, nichts übrig, als seine Stelle aufzugeben und Straßenbahnführer zu werden. Aber wenn er klingelt, hört man noch ganz deutlich das „Lott ist tot“ heraus.

So und nicht anders würde es uns auch gegangen sein, hätten wir darüber zu befinden gehabt, wie jeder Vogel singen soll; wir wären alle mit einander mit erblicher Verrücktheit belastet und hätten wahrscheinlich sämtliche Vögel mit Feuer und Schwert vertilgt. Und deshalb will es mir so scheinen, als ob die Vogelschutzvereine nicht ganz auf dem richtigen Wege sind, denn die teilen die Vögel in zwei Gruppen ein, in Singvögel und in solche, die nicht singen, und die einen fördern sie nach der Schwierigkeit, wogegen sie sich um die anderen entweder gar nicht kümmern oder die, die sich ab und zu einmal einen Singvogel zu Gemüte führen, auf die schwarze Liste setzen und mit Mord und Totschlag bedrohen.

Daß aber ein jeder Vogel singt, und daß jeder nicht so singen kann, wie es von den Vogelschutzvereinen als vorschriftsmäßig und angemessen erachtet wird, daran wird nicht gedacht, und wenn ein Häher einmal einen jungen Spatzen oder eine Elster eine junge Lerche mit nach Hause nimmt, dann ist das Geschrei sehr groß, obwohl es mehr Spatzen, als nötig, gibt, und die Lerche der allerhäufigste Vogel ist. Und dabei weiß der Häher, zwickt ihn die Liebe, ganz allerliebst zu singen, und auch die Elster, befindet sie sich in demselben Zustande, drückt sich so aus, daß die Elsterin das für die Höhe aller Liebeslyrik erachtet, und ich muß sagen, das verliebte Geplauder des Hähers und das noch verliebtere Geplapper der Elster höre ich lieber, als das ewige und ewige Geflöte der Amsel und das unaufhörliche Gepfeife des Staares, zweier Vögel, die von den Vogelschutzvereinen im Großbetrieb gezüchtet werden, so daß jetzt auf jedem Baum mindestens eine Amsel und auf jedem Dach wenigstens drei Starmätze sitzen,

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Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/19&oldid=- (Version vom 1.8.2018)