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alten Römer sah, zurückgelassen habe. Die Druse hieß am Anfang des zehnten Jahrhunderts Drusanda, und an Drusus dachte keine vernünftige Seele.

Die von Kaiser Karl V. den Brotterodern zum Fahnenlehen verliehene Fahne verehrten sie wie ein Heiligthum, und erneuern sie noch heute, wenn ihr Tuch in Abgang kommt, denn alljährlich hängt sie acht Tage lang, so lange die Kirmse dauert, aus einem Schallloch des Kirchthurmes. Man nennt sie in der örtlichen Sprache nur „die Funn von Karle quintes.“ Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen; es ist auf das schwarze Tuch mit gelbem Garn ein Bergwappen: Keil und Schlageisen ins Andreaskreuz gelegt, darüber eine Krone, eingenäht.

141.
Vom Inselberge und Rennsteige.

Im schönsten Theile Thüringens erhebt der Inselberg sein mächtiges Haupt. Lange Zeit hielt man ihn für den höchsten der Berge des Thüringer Waldes, ja überhaupt für den höchsten Berg in ganz Thüringen, und mühte sich mit allem Fleiße seinem Namen eine falsche Ableitung zu geben. Da sollte er „Heunselberg“ heißen, von den Heunen, und Emsenberg, weil ihm ein Flüßchen entspringt, das die „Emse“ genannt wird. Einzelberg klang auch nicht übel, da sein Gipfel vereinzelt über die Nachbarberggipfel emporragt, sonst liegt der Berg gar nicht vereinzelt. Oft aber hebt sich dieser Gipfel, einer Insel gleich, über dem ihn umwogenden Nebelmeere, das hat ihm den Namen verschafft.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 273. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/281&oldid=- (Version vom 1.8.2018)