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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller

»W. ist künstlerisch nicht der Ausdruck des deutschen Geistes, sondern nur ein Zerrbild desselben« – »er ist eine innerlichst unproduktive, eine künstliche, hohle, reflektierte Natur« – »Berlioz ungleich bedeutender als er« – »daß Wagners Musik stellenweise anregend wirken und interessieren kann, begreifen wir vollkommen; wer aber in seinen Opern musikalische Befriedigung findet, den muß man ästhetisch ganz und gar verloren geben.« Ein Wort trugen und tragen ihm die Wagnerianer (wie man damals sagte) mit besonderer Unversöhnlichkeit nach, es wird noch jetzt bei Gelegenheit als eine Art Hauptargument wider ihn geschleudert. Das letzte Mal las ich es bei Prof. Volbehr, samt Feststellung des Datums. Das Wort »Affenschande«. Es wurde eben nicht mit Billardkugeln geschossen in diesem Dreißigjährigen Krieg. Ein weiteres Jahrzehnt verging, Bayreuth stand am Horizonte, Wagner war der große Deutsche neben Bismarck. Auch Sp. fühlte es deutlich in seiner stammtreuen Schwabenseele. Da schrieb er den mannhaften Aufsatz: »Richard Wagner und die deutsche Sache« (»Deutsche Zeitung« 1872). Schon zu einem früheren Wagner-Feuilleton hatte er als Feuilletonredakteur die Fußnote geschrieben: »Richard Wagners Sache ist von der deutschen Sache nicht mehr zu trennen.« Nun führt er diesen Gedanken aus. »Eine Eigenschaft hat Richard Wagner bis zur Virtuosität ausgebildet, mit dem zu bezahlen, was er ist… Abgesehen vom Werte oder Unwerte der Wagnerschen Musik, so besitzt sie doch eine positive Eigenschaft. Das Positive an ihr ist, daß sie Begeisterung hervorruft. Wir anderen, die Wagners Musik kühl läßt, wir sind unter der Masse begeisterter Menschen nur Ausnahmen, nur seltsame Käuze… Das deutsche Volk sieht in Wagners Opern seine zeitweiligen musikalischen Ideale verwirklicht und wer sie ihm nehmen wollte – vorausgesetzt, daß er es könnte – würde diesem Volke ein Stück Seele aus dem Leibe reißen.« Er fand sich ab. In demselben Jahre, nach dem großen Wagnerkonzert in Wien, dessen Erfolg er bedingt anerkannte (»Bühne und Orchester vermissen, das ist bei Wagner zu viel«), gönnte er sich doch auch den hübschen Satz über die Juden und ihre Wagnerbegeisterung: »Zwei Dinge sind den Juden nicht abzusprechen: Geld und Geist – ein wohlklingender Stabreim. Aber wenn Wagner winkt, geben sie das eine her, den anderen auf.« Zu dieser Wagnerepisode meiner biographischen Skizze möchte ich nur noch beiläufig bemerken, daß ich in musikalischen Dingen zu keinem Urteil berechtigt bin. Ich möchte kein Thebaner sein, der zwischen zwei streitenden Athenern richten soll.

Das stärkste Ansehen genoß Sp. als Theaterkritiker. Nicht als ob er gerade ein Wiener Theatermensch von seltener Stärke gewesen wäre. Dazu hätte er in Wien geboren sein müssen. Ich halte überhaupt die Literaturkritik für seine eigentliche Stärke. Auch waren seine besten Theaterkritiken immer von stark literarischem Charakter. Wahre Meisterwerke dieser Art, wie jenes Molière-Feuilleton vom 13. Mai 1900, in dem jede Wendung ein Gedanke war, oder vielmehr schien, denn bei aller Bestimmtheit des Wortes war doch kein Gedanke fertig geprägt, er lag aber eingesponnen und man brauchte nur mit der Nadelspitze die Kokons anzustechen, so flatterte es ringsum von den buntesten Flügelkreaturen. Das war eines jener Bravourstücke, wie sie nur einem strotzenden Gehirn entschlüpfen, es weiß selbst nicht wie. Eng beieinander wohnen die Gedanken. Aber Theater war

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Ludwig Hevesi (1843-1910): Ludwig Speidel, Schriftsteller. Reimer, Berlin 1908, Seite 205. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Speidel,_Schriftsteller.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)