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Das dankbare Heinzelmännchen


Zu jener Zeit, als es noch Heinzelmännchen gab, da lebte in Köln am Rhein ein Goldschmied namens Anselm Schmitz, der sich bei seinen Mitbürgern großen Ansehens erfreute, denn er galt als streng rechtlicher Mann, der überdies in seinem Handwerk der geschickteste Meister weit und breit war. Er wohnte auf altererbtem Grund und Boden, und sein Haus mit den spitzen Giebeln und bleigefaßten Fenstern, hinter denen Lavendel und Rosmarin dufteten, blitzte von oben bis unten vor Sauberkeit. Das machte, weil dort Regina, des Meisters einziges Töchterlein, schaltete und waltete, die trotz ihrer Jugend – sie zählte kaum achtzehn Jahre – mit Hilfe der alten, treuen Brigitte alles so hielt, wie es die verstorbene Mutter bei Lebzeiten getan. Was Wunder, daß das Mägdlein des Vaters Augapfel war und alles Gold und Edelgestein, das Meister Anselm zu verarbeiten hatte, ihm nicht so kostbar dünkte als sein einziges Kind, zumal dieses außerdem nicht nur hübsch, sondern vor allem sittsam und bescheiden war.

Eines Tages gab es einige Aufregung in Meister Anselms Hause, denn der Stadtbüttel war gekommen, um ihm im Namen des hohen Rates der guten Stadt Köln sogleich auf das Rathaus zu entbieten.

In der Werkstatt schüttelten beide Gesellen verwundert die Köpfe. Konrad, der kürzlich erst zugewanderte älteste Geselle, lachte hämisch: „Wer weiß, vielleicht wollen sie dem Meister gar an den Kragen; wird auch kein Engel sein.“

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipzig: Leipziger Graphische Werke AG, 1927, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_136.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)