Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/170

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

nicht transportfähigen Verwundeten, die geblieben waren, in ein Festungsspital in die Stadt herunter, wo uns eine eigene Abteilung zugewiesen wurde.

Ein großer Schmerz für unsere Kranken, die die gut eingerichteten, verstellbaren Spitalsbetten und die freundlichen Räume schwer vermissen. Hier sind die Zimmer größer, aber weniger gut eingerichtet, vor allem viel düsterer.

Vor mehr als einem Spitalstor stehen schon die Wachen und wehren jedem Besuch den Eintritt. Flecktyphus, Bauchtyphus und Cholera beginnen ihren Einzug zu halten. Ist es doch wie ein Wunder, daß wir bisher fast gänzlich verschont geblieben. Die Cholerabaracken, die Emil Ende September aufgestellt hatte, waren jetzt lange Zeit nur für Rekonvaleszenten in Verwendung, da die Cholera schon im November erloschen war.


Przemysl, den 12. April 1915.

Heute früh um 1/24 Uhr rüttelt es an unseren Türen und an den Fenstern, die auf den Gang gehen. Wir fahren aus dem Schlaf auf, hören Stimmen, wissen nicht, was sie bedeuten. Dann sehen wir durch das Fenster russische Uniformen.

Erst glauben wir, es sei russische Einquartierung, die der leerstehenden Wohnung neben uns gilt und daß man sich in der Tür irrt. Doch es gilt uns.

Zwei russische Offiziere, von zwei Mann gefolgt, treten ein. Mein Mann wirft sich rasch in die Kleider, geht ihnen in das erste Zimmer entgegen und empfängt sie.

Sie verlangen in gebrochenem Deutsch die russische Legitimation, die jeder hier verbliebene Österreicher bei sich führen muß, und fragen nach Waffen.

Empfohlene Zitierweise:
Ilka von Michaelsburg: Im belagerten Przemysl. C. F. Amelang, Leipzig 1915, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:MichaelsburgImBelagertenPrzemysl.pdf/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)