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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754

sind, wenn Muth und Kräfte sinken wollen; so kann der Klang der Saiten die schlaffen Fibern wieder stärken, und die Geister des Gehirns wieder in Bewegung bringen. Das Alter selbst fühlet neue Kräfte, wann Spiel und Saiten gerühret werden. Wenn Schwermuth und Sorgen das Herz beklemmen, so kann sie der Ton der Saiten veriagen. Die Geschichte bezeugen, daß man Raserey und Melancholie dadurch geheilet habe, und die Naturkündiger wissen, daß es nicht ganz und gar unmöglich ist. Es ist Niemand, der nicht wissen sollte, daß der giftige Tarantelstich durch nichts anders, als durch die Musik könne geheilet werden. Ist endlich die Malerey von der Tugend gebraucht worden, damit sie ihr Ansehen bevestigen, und ihren Ruhm ausbreiten möchte; so hat ihr die Musik hierinnen noch mehr Dienste gethan. Die Griechen haben die zarteste Jugend und selbst das vornehme Frauenzimmer in der Tonkunst unterrichten lassen, und der gestrenge Gesetzgeber Lycurgus hat sie in seiner Republik als etwas löbliches angepriesen. Die weisen Chineser lassen schwangern Weibern täglich einige Gesänge vorspielen, deren Innhalt Tugend und Sittsamkeit ist, und geben es als ein Mittel an, selbst die ungebohrne Frucht des Leibes in den allerdunkelsten Vorstellungen, die das Kind von der Mutter empfängt, vor lasterhaften Eindrücken zu verwahren. Und welcher Gottesdienst ist iemals unter der Sonnen gefunden worden, bey dem man sich der Musik nicht bedienet hätte, weil das Hertz

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Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Band 4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/17&oldid=- (Version vom 22.2.2024)